Das Alltagsleben im Rheinland digital entdecken

Neues Internetangebot vom LVR-Freilichtmuseum mit weiteren LVR-Kulturträgern: Durch das „Portal Alltagskulturen“ Einblicke in Großmutters Zeiten gewinnen

Sabine Thomas-Ziegler (v.r.), Leiterin der Sammlungen des LVR-Freilichtmuseums Kommern, Sarah Höner und Matthias Fieder haben als eines von bislang über 7.000 Objekten eine transportable Kleinst-Melkmaschine aus dem frühen 1960er-Jahren für Kühe und Ziegen in das „Portal Alltagskulturen“ aufgenommen. Foto: Hans-Theo Gerhards/LVR
Sabine Thomas-Ziegler (v.r.), Leiterin der Sammlungen des LVR-Freilichtmuseums Kommern, Sarah Höner und Matthias Fieder haben als eines von bislang über 7.000 Objekten eine transportable Kleinst-Melkmaschine aus dem frühen 1960er-Jahren für Kühe und Ziegen in das „Portal Alltagskulturen“ aufgenommen. Foto: Hans-Theo Gerhards/LVR

Mechernich-Kommern/Rheinland – Welche Verbindungen gibt es zwischen Herrenhutbändern, orthopädischen Bandagen und Nierengurten? Wie lebte es sich am Nierentisch zwischen Möbeln in Eiche-Rustikal? Was bedeutete der Übergang von Kohle- zu Elektroherden für die Speisenzubereitung? Und was hat das alles mit dem Rheinland zu tun? Auf solche Fragen gibt das neue  digitale „Portal Alltagskulturen“ Antworten. Denn es befasst sich mit dem Alltagsleben im Rheinland und den tiefgreifenden Wandlungsprozessen, die es im 20. Jahrhundert durchlaufen hat. Das große Projekt zum kulturellen Erbe im Rheinland wird – zunächst für fünf Jahre – von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziert.

Seit nunmehr vier Jahren dokumentieren Sarah Höner und  Matthias Fieder im LVR-Freilichtmuseum Kommern Objekte des Alltagslebens unterschiedlichster Art, erfassen sie digital und stellen die gesammelten Informationen in das Portal ein. Vieles müssen die beiden jungen Wissenschaftler selbst in Bergen von Fachliteratur nachschlagen. Sie sehen sich im Wettlauf mit einer Zeit, deren Schnelllebigkeit für den Verlust von viel Wissen sorgt. Denn etliche Dinge, mit denen die Großeltern noch aufwuchsen und die sie täglich nutzten, sind für junge Menschen oftmals Antiquitäten, deren Sinn und Funktion auch auf den zweiten Blick noch rätselhaft bleiben.

Wie das herausnehmbare „Wasserschiffchen“, das früher im Kohleherd eingesetzt war, dessen Feuer mühsam über Lüftungsklappen reguliert werden musste. Dessen heißgekochten Inhalt goss man dann zum Aufbrühen über den frisch in einer kleinen Handmühle gemahlenen Kaffee, der damals noch nicht vakuumverpackt und schon gar nicht fair gehandelt wurde. Rezepte entnahmen die Hausfrauen reichhaltig bebilderten und meist von Lebensmittelherstellern vertriebenen Heften, anstatt durch Wischen über das Smartphone schnell mal im Internet nachzuschauen.

Das Thema „Ernährung“ bildet im  „Portal Alltagskulturen“ nur einen von vielen Forschungsschwerpunkten. Auch das „Wohnen“ und „Arbeiten“ im 20. Jahrhundert wird dokumentiert. So haben Höner und Fieder die erste deutsche Anbauküche aus Serienproduktion mit allem Zubehör aufgenommen, die 1950 auf der Kölner Möbelmesse vorgestellt wurde. Und auch den dreitürigen Schlafzimmerschrank, den ein Mechernicher Kunstschreiner für ein gut situiertes Ehepaar aus Schleiden angefertigt hat. Besonders fasziniert ist Fieder, der privat Flachbildschirm und iPod besitzt, von der wuchtigen Fernseh- und Stereomusiktruhe inklusive Plattenspieler, die mit 82 kg wohl mehr als mancher ehemaliger Besitzer wiegt, ein Vermögen kostete, dafür aber den exotisch klingenden Modell-Namen „Maharadscha“ trägt. Sarah Höner indes hat sich mit dem im Rheinland tief verwurzelten, aber heute fast unbekannten Handwerk der Bandweberei befasst: „Fertigte man hier früher vor allem Bänder als modisches Accessoire an, um Kopfbedeckungen oder Kleider auszustaffieren, so stellen dieselben Unternehmen heute Bandagen, Fahrradhelmbänder oder Sicherheitsgurte für Autos her“, hat die Wissenschaftlerin herausgefunden.

Das LVR-Freilichtmuseum Kommern hat in Zusammenarbeit mit dem LVR-Freilichtmuseum Lindlar und dem LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte in Bonn aus den umfangreichen Sammlungsbeständen der Kultureinrichtungen bislang über 7.000 „Quellen“ unterschiedlichster Art exemplarisch ausgewählt und digital erfasst. Viele Objekte werden jetzt erstmals der Öffentlichkeit präsentiert: Wer auf alltagskulturen.lvr.de klickt, findet nicht nur die Objekte, sondern auch genaue Beschreibungen, Fotodokumente und bald sogar Interviews zum Objekt. Sarah Höner und Matthias Fieder stehen auch für Fragen zur Verfügung: Telefon: 0 24 43-9980-171 (montags bis mittwochs).

www.alltagskulturen.lvr.de

(epa)

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

17 + fünfzehn =