Professor Friedrich Wilhelm Dahmen ist tot

Der Geobotaniker, Ökologe, Naturparkplaner, Landschaftsarchitekt, Künstler und Bauer wurde 88 Jahre alt

Professor Dahmen hat die Erde nie als „Ding“ gesehen, das es wissenschaftlich zu analysieren galt, sondern weit mehr als „Planetenwesen“. Archivbild: Michael Thalken
Professor Dahmen hat die Erde nie als „Ding“ gesehen, das es wissenschaftlich zu analysieren galt, sondern weit mehr als „Planetenwesen“. Bild: Michael Thalken/Eifeler Presse Agentur/epa

Mechernich-Bergheim – Er war wohl einer der kreativsten Menschen, den der Kreis Euskirchen kannte: Professor Friedrich Wilhelm Dahmen, der Ökologe, Naturparkplaner, Landschaftsarchitekt und ehemalige Lehrbeauftragte und Universitätsdozent, der Bauer und Künstler, ist jetzt im Alter von 88 Jahren gestorben. Praxis und Theorie des promovierten Geobotanikers kreisten sein Leben lang stets um ein einziges Prinzip: um das kooperative Miteinander, um ein ganzheitliches und ausgewogenes Leben. Einigen ist in diesem Zusammenhang wohl noch das vor vielen Jahren mit Sohn Hans-Christoph entwickelte Freiland-Umweltspiel „Ökowaage“ ein Begriff, mit dem Kooperation statt Konfrontation eingeübt werden kann.

Es besteht aus einem großen, beweglichen Spielbrett, auf dem Kugeln unterschiedlicher Schwere von zwei Spielern so angeordnet werden müssen, dass das Brett und damit der Spielaufbau nicht umkippt. Das Spiel ist gleichzeitig Symbol eines Denkens, für das Professor Dahmen gemeinsam mit seiner Frau Gisela ein Leben lang einstand.

Im Garten des Professors wurde stets ökologisch korrekt gewirtschaftet. Dieses Bild entstand im Jahr 2000. Archivbild: Michael Thalken
Im Garten des Professors wurde stets ökologisch korrekt gewirtschaftet. Dieses Bild entstand im Jahr 2000. Bild: Michael Thalken/Eifeler Presse Agentur/epa

Was die Öko-Waage spielerisch vorgab, hat das Ehepaar Dahmen auch auf seinem zwölf Morgen großen Gartengelände landwirtschaftlich umgesetzt. Dort wurde unter Beachtung strengster ökologischer Vorgaben Gemüse und Obst angebaut, wurden Hühner, Schafe, Gänse und Bienen gehalten. Dabei richtete der Professor, der seinen Titel der Newport-Universität in Kalifornien verdankte, sein Hauptaugenmerk stets auf die Pflege eines artenreichen Bodenlebens.

Bei den fast täglichen Naturstudien hat das Ehepaar Dahmen fast ganz nebenbei pflanzliche Kooperationsgemeinschaften ausfindig gemacht, die unter dem Namen „Terra Botanica“ Eingang in ein komplexes Wildpflanzen-Datenbank und -Informationssystem fanden. Dieses Programm ermöglicht quasi auf Knopfdruck die Ermittlung von pflanzenökologischen Standortfaktoren.

Mit Fragen der angewandten Ökologie beschäftigte sich auch das „Institut Synergie“, dessen wissenschaftlicher Leiter Dahmen war. Doch nicht nur die Natur hat den Professor aus Bergheim, der Mitbegründer und Planer von gleich fünf rheinischen Naturparken war, ein Leben lang interessiert, auch der Kunst galt sein besonderes Augenmerk.

In den gespiegelten Strukturbildern wird das Chaos wieder zur Ordnung. Jeder Betrachter erkennt in den Bildern etwas anderes. Bild: Michael Thalken/Eifeler Presse Agentur/epa
In den gespiegelten Strukturbildern wird das Chaos wieder zur Ordnung. Jeder Betrachter erkennt in den Bildern etwas anderes. Bild: Michael Thalken/Eifeler Presse Agentur/epa

Seit den 1960er Jahren faszinierten ihn Strukturen von Sand, Gesteinen, Baumrinden und anderen Naturobjekten, die er gemeinsam mit seiner Frau fotografierte. Aus den Wiederholungen, Spiegelungen und dem neuen Aneinanderfügen solcher Strukturen gestaltete Dahmen phantasievolle Bilder, deren Grundmotive immer wieder neu zu einer strukturellen und facetteneichen Ganzheit zusammenwuchsen, getreu seinem Lebensmotto: „Das Ganze ist etwas Neues und ein ganz Anderes als die Summe seiner Teile.“

In Karteikästen hat Professor Dahmen bis zu seinem Tod über 2000 solcher Strukturbilder als Kontaktabzüge aufbewahrt. „Diese Kunst will nicht – wie die Wissenschaft – sachliche Zusammenhänge erklären, sondern die Seele ansprechen und bewegen“, sagte er 2007, als er die Bilder der Öffentlichkeit vorstellte. Aber als wissensfundierte Kunst vermittele sie dennoch sachlich stimmige Einsichten in unsere Welt im Sinne des Physikers Werner Heisenberg, der bemerkt habe: „Auch Naturwissenschaft spricht in Metaphern“.

Professor Dahmen hat die Erde nie als „Ding“ gesehen, das es wissenschaftlich zu analysieren galt, sondern stets im Sinne der Gaia-Theorie des englischen Naturwissenschaftlers James Lovelock als ein sich selbst steuerndes und entwickelndes sowie hochgradig vernetztes System verstanden, ja als „Planetenwesen“.

Neben der Fotografie war das Forscherehepaar auch seit den 1940er Jahren lyrisch tätig. In der Lyrik wie in der Fotografie sahen sich die beiden aber nicht so sehr als „Macher“, sondern weit mehr als „Quelle“, aus der Kunst als Ausdruck von Inspiration fließt, die stets auf ein übergeordnetes, dem Menschen nur erahnbares Sinnganzes verweist. In einem ihrer Gedichte heißt es daher auch sehr schön: „Wir sind der letzte Felsen nur, / aus dem die Wasser quillen. / Sie folgen ihrer eignen Spur / und einem fremden Willen.“

Michael Thalken/Eifeler Presse Agentur/epa

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