„Letzte Abfahrt gewählt, als nichts mehr ging“

Von Reiner Züll Der Kaller Thomas Golüke spendete 2009 Stammzellen für einen todkranken Mann aus München, jetzt begegneten sich die beiden zum ersten Mal

Der Kaller Thomas Golüke (44) spendete 2009 Stammzellen für den Münchener Dr. Klaus Jacoby, der an einem seltenen Gendefekt litt und ohne Stammzellenspende nicht überlebt hätte. Jetzt trafen sich Golüke (links) und sein genetischer Zwilling (rechts mit Lebensgefährtin Karin Piecha) in Kall. Bild: Reiner Züll
Der Kaller Thomas Golüke (44) spendete 2009 Stammzellen für den Münchener Dr. Klaus Jacoby, der an einem seltenen Gendefekt litt und ohne Stammzellenspende nicht überlebt hätte. Jetzt trafen sich Golüke (links) und sein genetischer Zwilling (rechts mit Lebensgefährtin Karin Piecha) in Kall. Bild: Reiner Züll

Kall/München – Es war schon ein bewegender Augenblick, als sich am Wochenende ein 67-jähriger Mann aus München in Kall erstmals mit seinem 44-jährigen Lebensretter aus Kall traf. Dr. Klaus Jacoby, bis zum Ausbruch seiner schweren Krankheit bei einer großen Münchener Firma in der Datenverarbeitung beschäftigt, und der stellvertretende Löschzugführer in Kall, Thomas Golüke, hatten zwar schon mehrmals miteinander telefoniert oder sich auch Briefe geschrieben, doch ein persönliches Zusammentreffen kam erst jetzt, fünf Jahre nach dem lebensrettenden Ereignis zustande.

Jetzt endlich konnte der 67-jährige Physiker aus der bayerischen Landeshauptstadt endlich seinen Lebensretter und genetischen Zwilling Thomas Golüke in die Arme schließen. Der hatte 2009 Stammzellen für den damals todkranken Münchener gespendet und ihm damit ein neues Leben beschert.

Mit dem Zug waren Dr. Jacoby und dessen Lebensgefährtin Karin Piecha am Freitagabend in die Eifel gekommen, um endlich den Mann persönlich kennenzulernen, der seit der Stammzellenspende quasi Blutsbruder des studierten Physikers ist. Die Drei verlebten gemeinsam ein „tolles Wochenende“ (Dr. Jacoby) in dessen Verlauf Thomas Golüke seinen Gästen die Eifel näherbrachte.

Der Kaller Thomas Golüke (44) spendete 2009 Stammzellen für den Münchener Dr. Klaus Jacoby, der an einem seltenen Gendefekt litt und ohne Stammzellenspende nicht überlebt hätte. Jetzt trafen sich Golüke (links) und sein genetischer Zwilling (rechts mit Lebensgefährtin Karin Piecha) in Kall. Bild: Reiner Züll
Der Kaller Thomas Golüke (44) spendete 2009 Stammzellen für den Münchener Dr. Klaus Jacoby, der an einem seltenen Gendefekt litt und ohne Stammzellenspende nicht überlebt hätte. Jetzt trafen sich Golüke (links) und sein genetischer Zwilling (rechts mit Lebensgefährtin Karin Piecha) in Kall. Bild: Reiner Züll

Am Samstag besuchte das Trio die Stadt Monschau, von der die Münchener hellauf begeistert waren. Als der begeisterte Eisenbahn-Fan von Golüke erfuhr, dass sonntags ein historischer Schienenbus von Kall ins Schleidener Tal fährt, war für ihn klar: „Einmal im Leben will ich mit der alten Flitsch fahren“. Das tat er am Sonntagvormittag noch vor seiner Abreise.

Bei einem Blutspende-Termin des DRK in Kall hatte sich Thomas Golüke 1996 für die Spenderdatei der Birkenfelder Stefan-Morsch-Stiftung typisieren lassen. 13 Jahre dauerte es dann, ehe er 2009 als Stammzellenspender für einen kranken Patienten in Frage kam. Als er die Nachricht erhielt, dass er einem unbekannten Menschen das Leben retten könnte, war er sofort bereit. Am 5. August spendete er bei der Stiftung in Birkenfeld das lebensrettende Knochenmark.

Auf diese Stammzellen wartete derweil im Uni-Klinikum in München-Großhadern der damals 62-jährige Klaus Jacoby, der einer ganz seltenen Krankheit PNH (Paroxysmale Nocturnal Hämoglobinurie) litt. Unter einer Million Menschen kommt diese, durch einen Gendefekt bedingte Krankheit etwa fünf Mal vor, bei Personen im Alter von über 45 Jahren noch seltener.

Dabei war das Leben des gebürtigen Hamburgers, der seit nunmehr 37 Jahren in München lebt und zuletzt bei der Weltfima Fuijutsi in der Datenverarbeitung beschäftigt war, ganz normal verlaufen. Bis er 2006 oft schlapp oder müde war und er dann in der Münchener Uni-Klinik die niederschmetternde Diagnose der Krankheit PNH und der damit verbundenen beginnenden Leukämie bekam. Klaus Jacoby: „Man eröffnet mir, dass ich mittelfristig nur mit einer Stammzellenspende überleben werde“.

Der Versuch einer Therapie mit einem neuen amerikanischen Medikament schlug fehl, es trat keine Besserung ein. Mit einer Stammzellenspende konnte sich der Physiker noch immer nicht abfinden. „Ich habe noch ein Jahr gewartet und dann die letzte Abfahrt gewählt, als nichts mehr ging“, berichtete Jacoby am Wochenende in Kall.
Relativ schnell wurden in der internationalen Knochenmark-Spenderdatei zwei Spender gefunden: Ein Engländer und ein Deutscher. Der Deutsche war Thomas Golüke, dessen zehn wichtigste Gewebemerkmale hundertprozentig mit denen von Klaus Jacoby übereinstimmten. Einen Tag nach der Stammzellenentnahme bei Golüke wurde Jacoby in Großhadern erfolgreich transplaniert.
Neun Wochen lang verbrachte der 62-Jährige in der Klinik, ehe sein Immunsystem sich wieder stabilisiert hatte. Menschenansammlungen und Großveranstaltungen mieden Jacoby und Lebensgefährtin Karin Piecha über längere Zeit.
Während der gesetzlich vorgeschriebenen Sperrzeit von zwei Jahren wusste keiner der beiden, wer der andere war, sie konnten jedoch anonym Briefe austauschen. Nach einem Jahr hatte Thomas Golüke auf Anfrage erfahren, dass es sich bei seinem Stammzellen-Empfänger um einen Mann aus Bayern handele und es diesem gut gehe.
Erst als im August 2011 die Sperrzeit nach zwei Jahren zu Ende war und auch beide an einem gegenseitigen Kennenlernen Interesse angemeldet hatten, bekamen Spender und Empfänger durch den Austausch von Fotos ein Gesicht. Nach weiteren drei Jahren gab es jetzt endlich das erste und recht emotionale Zusammentreffen.

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