„Wir kühren einen Frieg hier“

Acht Poeten lieferten sich beim 5. „Vogelslam“ im Kulturkino Vogelsang im Rahmen des LIT.Eifel-Programms einen friedlichen Dichterwettstreit – Kultur- und Sportstiftung der Kreissparkasse Euskirchen förderte die Veranstaltung

„Ich könnte rausasten“, so Lasse Samström angesichts der „Nage der Ration“. Der Schüttelprosa-Autor schrammte nur knapp am Sieg vorbei. Bild: Michael Thalken/Eifeler Presse Agentur/epa
„Ich könnte rausasten“, so Lasse Samström angesichts der „Nage der Ration“. Der Schüttelprosa-Autor schrammte nur knapp am Sieg vorbei. Bild: Michael Thalken/Eifeler Presse Agentur/epa

Schleiden-Vogelsang – „Mach’s doch mal anders: Stell den Fön auf »saugen», fahr Schlangenlinien mit der Straßenbahn oder frag bei Ferrari nach einem Auto mit Tempomat und Anhängerkupplung!“ – Diese und andere gute Ratschläge erteilte am Samstagabend im Kulturkino Vogelsang Matthias „Maschi“ Marschalt allen Menschen mit Liebeskummer. Davon schien es anscheinend eine ganze Reihe unter den knapp 150 Zuhörern zu geben, denn der 32-Jährige wurde gleich mit einer Vielzahl der Stimmen eine Runde weitergeschickt. Offensichtlich hatte das Publikum eine gute Nase, denn mit seinem zweiten Text „Das Tagebuch“ setzte „Maschi“ noch eins drauf und holte sich den ersten Preis beim 5. „Vogelslam“: ein hölzernes Schwein.

Nur knapp am Schwein vorbei schrammte Lasse Samström mit seiner kuriosen Schüttelprosa. In seiner „Lede zur Nage der Ration“ herrschte unter den Buchstaben die reinste Anarchie. „Hier ist sich doch jeder nächst derselbe“, geißelte Samström den Zustand der Moderne: „Das Scheißwohl ist den meisten doch gemein egal, wer ehrt denn noch arbeitsamtlich, wir kühren einen Frieg hier, ich könnte rausasten!“ Samströms Fazit: „Den inneren Heineschwund gilt es zu begießen.“

Konnte die Zuschauer letztlich mit seiner Performance überzeugen: Matthias „Maschi“ Marschalt landete auf dem ersten Platz. Bild: Michael Thalken/Eifeler Presse Agentur/epa
Konnte die Zuschauer letztlich mit seiner Performance überzeugen: Matthias „Maschi“ Marschalt landete auf dem ersten Platz. Bild: Michael Thalken/Eifeler Presse Agentur/epa

Etwas poetischer ging es dagegen bei Beretta zu. Die Einflüsse der Poetin reichen laut eigener Auskunft von Rilke bis zur Rockband „Placebo“. Mit ihrer Liebeslyrik, in der sie als ausgebildete Psychologin in naturwissenschaftlichen Bildern ihren Liebesschmerz besang, hatte sie es nach Samströms Sprachakrobatik allerdings nicht ganz so leicht, beim Publikum Gehör zu finden.

Ein politisches Statement in literarischer Einkleidung lieferte Christian „No Limit“ Schmitt ab. Wie bereits an seinem Spitznamen ersichtlich, wünschte sich der Mann eine Welt ohne Grenzen, Glück für jedermann und mehr Solidarität.

Einen vermeintlichen Abgesang auf eine in die Brüche gegangene Beziehung gab anschließend Ralf Hergarten zum Besten. Der Schleidener beklagte sich unter anderem über ungepflegtes Aussehen und unkontrolliertes Trinkverhalten und ließ erst in der letzten Zeile wissen, dass er keine Frau, sondern sein Auto meinte.

In drei K.O.-Runden stimmten die Zuschauer für ihren jeweiligen Favoriten ab. Bild: Michael Thalken/Eifeler Presse Agentur/epa
In drei K.O.-Runden stimmten die Zuschauer für ihren jeweiligen Favoriten ab. Bild: Michael Thalken/Eifeler Presse Agentur/epa

„Kaugummiautomaten-Romantik“ lieferte Titelverteidiger Oscar Malinowski. Nach dem Entdecken eines schwarzen Haares, das aus seiner Nase wuchs, und dem anschließenden Sinnieren über die Vergänglichkeit des Lebens, träumte er davon, noch einmal Kind sein zu dürfen, Eierkartons nach geschlüpften Küken zu durchsuchen und am 1. Dezember bereits alle Türchen des Adventskalenders zu öffnen.

Leistungsdruck war das Thema von Daniel Kessel. Als Azubi im Schuhgroßhandel ließ er wissen, wo der Gesellschaft der Schuh drückt, wünschte sich einen Ausbruch aus der Normalität und der Konvention und geißelte die Leistungsgesellschaft.

Gleich acht Poeten traten beim 5. Vogelslam im Kulturkino Vogelsang gegeneinander an. Bild: Michael Thalken/Eifeler Presse Agentur/epa
Gleich acht Poeten traten beim 5. Vogelslam im Kulturkino Vogelsang gegeneinander an. Bild: Michael Thalken/Eifeler Presse Agentur/epa

Elina Raddy schließlich outete sich als leidenschaftliche Buch-Nostalgikerin und feuerte ihre Kritik gegen den E-Book-Reader ab, weil man in diesen keine Eselsohren machen könne, er nicht als Untersetzer tauge und selbst noch als Feuerholz nicht zu gebrauchen sei. Die nächste hirnlose Erfindung in dieser Richtung, so glaubte Rady, sei wahrscheinlich „digitales Klopapier“.

Gefördert wurde der „5. Vogelslam“ von der Kultur- und Sportstiftung der Kreissparkasse Euskirchen. Rita Witt, KSK-Pressesprecherin und Vorstandsvorsitzende der Kultur-Stiftung, betonte im Vorfeld: „Es ist uns wichtig, daran mitzuwirken, dass Vogelsang heute als ein Ort der Toleranz wahrgenommen wird. Dass man ausgerechnet an dem Ort, wo einst nichts als Parolen herrschten, einen Poetry Slam ausrichtet, bei dem niemandem mehr das Wort verboten wird, war für uns daher Fördergrund genug.“

Moderiert wurde der Abend von Niklas Knechtges, dem Auszubildenden für Tourismus und Freizeit bei „vogelsang ip“.  Bild: Michael Thalken/Eifeler Presse Agentur/epa
Moderiert wurde der Abend von Niklas Knechtges, dem Auszubildenden für Tourismus und Freizeit bei „vogelsang ip“. Bild: Michael Thalken/Eifeler Presse Agentur/epa

Moderiert wurde der Abend von Niklas Knechtges, dem Auszubildenden für Tourismus und Freizeit bei „vogelsang ip“. Die Zuschauer stimmten in drei K.O.-Runden für ihren jeweiligen Favoriten ab, bis der Sieger feststand. Der „Poetry Slam“ war in diesem Jahr auch Bestandteil des LIT.Eifel-Programms, das noch bis zum 10. Dezember mit ungewöhnlichen Literaturveranstaltungen in der Region lockt.

www.lit-eifel.de

Eifeler Presse Agentur/epa

2 Gedanken zu „„Wir kühren einen Frieg hier““

  1. Ein wirklich gelungener Artikel mit einer grandiosen Auswahl an Zitaten! Winzige Anmerkung: Wir „kührten einen FrieG“. Schüttelprosa ist wirklich Gehirnjogging und Kunst wenn sie von Lasse kommt 😉

    1. Sorry, der „Frieg“ klingt ja auch viel logischer. Manchmal beeinflusst offensichtlich der Ort die sprachliche Erwartungshaltung 😉

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