Alte Schule soll Geschichte Wollseifens zeigen

Mit kräftiger Finanzspritze von NRW-Stiftung und Kreissparkasse Euskirchen wird die Geschichte des Ortes, deren Einwohner 1946 binnen drei Wochen ihre Heimat verlassen mussten, lebendig erhalten

Ein ehrgeiziges Projekt wollen die Verantwortlichen mit der Umwandlung der alten Schule Wollseifen in einen Ausstellungsort stemmen. Bild: Tameer Gunnar Eden/Eifeler Presse Agentur/epa
Ein ehrgeiziges Projekt wollen die Verantwortlichen mit der Umwandlung der alten Schule Wollseifen in einen Ausstellungsort stemmen. Bild: Tameer Gunnar Eden/Eifeler Presse Agentur/epa

Schleiden – Viele Menschen sind froh, wenn sie nach ihrem Schulabschluss nie wieder einen Fuß in ihre „Penne“ setzen müssen. Nicht so Fritz Sistig. Der 85-Jährige setzt sich mit viel Herzblut dafür ein, dass seine alte Schule wieder auf Vordermann gebracht wird – und das aus einem besonderen Grund: Die Schule steht in der Wüstung Wollseifen – seinem Geburtsort, den seine Familie 1946 auf Befehl der britischen Militärverwaltung verlassen musste. Nur drei Wochen Zeit blieb den Einwohnern für die Räumung.

Denn der bereits im 12. Jahrhundert urkundlich erwähnte Ort im Dreiborner Höhengebiet, in direkter Nähe zu Vogelsang gelegen, sollte vom britischen Militär als Truppenübungsplatz genutzt werden. 1950 ging das Gelände an das belgische Militär. Erst 2006, nach Abzug der Truppen, konnten die ehemaligen Wollseifener wieder einen Fuß in ihre Heimat setzen.

Im Schatten der ehemaligen Wollseifener Kirchen betrachten Hartmut Cremer (v.r.), Vorstandmitglied KSK, Henning Walter, Leiter Nationalparkverwaltung, Manfred Poth, Allgemeinder Vertreter Landrat und Aufsichtsratsvorsitzender der Standortentwicklungsgesellschaft Vogelsang, das Modell des ehemaligen Ortes Wollseifen. Bild: Tameer Gunnar Eden/Eifeler Presse Agentur/epa
Im Schatten der ehemaligen Wollseifener Kirchen betrachten Hartmut Cremer (v.r.), Vorstandmitglied KSK, Henning Walter, Leiter Nationalparkverwaltung, Manfred Poth, Allgemeinder Vertreter Landrat und Aufsichtsratsvorsitzender der Standortentwicklungsgesellschaft Vogelsang, das Modell des ehemaligen Ortes Wollseifen. Bild: Tameer Gunnar Eden/Eifeler Presse Agentur/epa

Übrig geblieben war von den über 100 Häusern kaum noch etwas. Heute stehen noch die ehemalige Kirche St. Rochus, bei deren Renovierung zwischen 2008 und 2010 Fritz Sistig wie andere Wollseifener kräftig geholfen hat, ein Trafohäuschen, die 2007 vom Traditions- und Förderverein Wollseifen sanierte Wegekapelle und die alte Schule.

Bei einem Pressetermin vergangenen Freitag berichteten die Verantwortlichen jetzt über die künftige Nutzung des Schulhauses. Henning Walter, Leiter Verwaltung Nationalpark Eifel: „Es gibt sehr viel zu tun, denn die Schule soll zu einem Ausstellungsraum über den ehemaligen Ort Wollseifen werden.“ Der Vorsitzende des Traditions- und Fördervereins Wollseifen, Wilfried Ronig, will mit vielen Freiwilligen grundsätzliche Arbeiten leisten. Neben der „Muskelhypothek“ ist aber auch eine kräftige Finanzspritze notwendig. 51.000 Euro stellt die NRW-Stiftung für die eigentlichen Renovierungsarbeiten zur Verfügung, 10.000 Euro für die Umsetzung der Ausstellung stiftet die Kreissparkasse Euskirchen (KSK), die durch den Rheinischen Sparkassen- und Giroverband weitere 10.000 Euro für das Projekt akquirieren konnte.

Es gibt noch viel zu tun: Professor Wolfgang Schumacher (v.l.), Vorsitzender NRW-Stiftung, Manfred Poth, Allgemeinder Vertreter Landrat, und Henning Walter, Leiter Nationalparkverwaltung, betrachten das Innere der renovierungsbedürftigen Schule. Bild: Tameer Gunnar Eden/Eifeler Presse Agentur/epa
Es gibt noch viel zu tun: Professor Wolfgang Schumacher (v.l.), Vorsitzender NRW-Stiftung, Manfred Poth, Allgemeinder Vertreter Landrat, und Henning Walter, Leiter Nationalparkverwaltung, betrachten das Innere der renovierungsbedürftigen Schule. Bild: Tameer Gunnar Eden/Eifeler Presse Agentur/epa

Hartmut Cremer, Vorstandsmitglied der KSK: „Die Schule liegt in unmittelbarer Nähe der Kirche. Die Renovierung rundet das Ganze ab: In der Kirche kann man besinnliche Minuten verbringen und die Eindrücke dieses besonderen Ortes auf sich wirken lassen, in der Schule kann man sich nach der Umsetzung über die Geschichte des Ortes informieren.“

Möglichst bis zum St.-Rochus-Fest im August nächsten Jahres soll die Schule umgebaut sein, berichtete Ronig. Der Sohn einer Wollseifenerin bedankte sich herzlich bei den Geldgebern. „Ohne Sie würde hier nichts geschehen!“

Architekt Klaus Freimark informierte über die geplanten Arbeiten: „Die Bausubstanz wird gesichert, die leeren Fenster- und Türenhöhlen werden wieder gefüllt.“ Der Gewölbekeller ist teilweise eingestürzt, er soll wieder aufgemauert werden. Der Keller soll allerdings wie auch das mit einer Holzdecke abzutrennende Dachgeschoss nicht für Besucher zugänglich werden, sondern ist als Rückzugsraum Fledermäusen vorbehalten.

Zeitzeuge und Wollseifener Fritz Sistig in der maroden alten Schule Wollseifen. Bild: Tameer Gunnar Eden/Eifeler Presse Agentur/epa
Zeitzeuge und Wollseifener Fritz Sistig in der maroden alten Schule Wollseifen. Bild: Tameer Gunnar Eden/Eifeler Presse Agentur/epa

In den beiden Klassenzimmern im Erdgeschoss soll die wetterfest gestaltete Ausstellung die Geschichte des Ortes Wollseifen zeigen, und zwar in dem einen Raum von der Ersterwähnung bis zur Vertreibung der Einwohner mit dem Schwerpunkt Zweiter Weltkrieg. Im zweiten Raum soll die Vertreibung und beispielhaft an Einzelschicksalen das Fußfassen an neuen Orten dargestellt werden.

Die Wissenschaftlichkeit stellt dabei „vogelsang ip“ sicher, wie Manfred Poth sagte, Allgemeiner Vertreter des Landrats und Aufsichtsratsvorsitzender der Standortentwicklungsgesellschaft Vogelsang. Man habe einen langen Weg bis zur Umsetzung hinter sich, viele Formalien und Abstimmungen seien nötig gewesen: „Aber ich freue mich sehr: Jetzt geht es endlich los!“

Fritz Sistig war sichtlich gerührt von den Plänen. Sein Großvater musste gleich zweimal die Heimat verlassen: Einmal durch die Vertreibung aus Wollseifen, dann, als seine neue Heimat dem Rursee weichen musste. Professor Wolfgang Schumacher, Vizepräsident der NRW-Stiftung: „Aus unserer Erfahrung mit der Renovierung der Kirche St. Rochus wissen wir, mit wie viel Engagement die Wollseifener dabei sind. Wenn man sich mit ihnen unterhält, weiß man, dass der Erhalt dieser Gebäude sehr wichtig ist.“

Gut 120 Mitglieder hat der Traditions- und Förderverein Wollseifen noch, wovon etwa 80 Prozent über 75 Jahre alt sind. Fritz Sistig: „Es gibt noch ungefähr 100 in Wollseifen Geborene. Ich verfolge das sehr genau und gehe sie im Kopf oft durch.“ Mit Erinnerungsstücken der ehemaligen Einwohner soll die Ausstellung bereichert werden. Die Historiker Klaus Ring und Gabriele Harzheim von „vogelsang ip“ befragen die ehemaligen Dorfbewohner über ihre alte Heimat und lassen dies in die Ausstellungskonzeption einfließen.

Sistig erinnert sich an eine besondere Geschichte in direktem Zusammenhang mit der Schule: In der Lehrerwohnung im Obergeschoss der Schule hatte im Zweiten Weltkrieg die Familie Kaufmann gewohnt. Als deren Sohn Clemens Ende 1944 auf Heimaturlaub nach Wollseifen kam, verschwand er offiziell – ein hohes Risiko, denn auf Fahnenflucht stand die Todesstrafe. Auch die Feldgendarme konnten ihn nicht aufspüren: Er hatte sich auf dem Speicher der Schule ein Verlies gebaut und wartete dort von den Behörden unentdeckt auf das Vorrücken der Amerikaner im Februar 1945.

Eifeler Presse Agentur/epa

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