Reifferscheider Grundschüler im Gespräch mit Flüchtlingen

Asylsuchende führten im Auftrag der Caritas Eifel Anstreicharbeiten in der Grundschule aus – Die Acht- bis Zehnjährigen wollten wissen, warum die Flüchtlinge ihr Heimatland verlassen hatten und wie sie nach Deutschland gekommen waren

Die Flüchtlinge, die derzeit im Auftrag der Caritas Räume in der Grundschule in Reifferscheid anstreichen, standen den Schülern Rede und Antwort. Bild: Arndt Krömer
Die Flüchtlinge, die derzeit im Auftrag der Caritas Räume in der Grundschule in Reifferscheid anstreichen, standen den Schülern Rede und Antwort. Bild: Arndt Krömer

Hellenthal-Reifferscheid – Unter dem Leitgedanken „Wir tun etwas für Flüchtlinge, Flüchtlinge tun etwas für uns“ haben die Gemeinde Hellenthal und der Caritasverband für die Region Eifel vergangenes Jahr ein gemeinsames Konzept ins Leben gerufen, um die Integration der neuen Nachbarn in die Arbeitswelt auf den Weg zu bringen. Die Gemeinde vermittelt Asylsuchende an die Caritas, diese übernimmt die Betreuung der Menschen über ihr Projekt „ARbeit TEilen“ (ARTE) und koordiniert die gemeinnützigen Aushilfsarbeiten im Bereich der Garten- und Landespflege. Aufgrund der winterlichen Witterungsverhältnisse wurden nun erstmals anstehende Anstreicharbeiten in der Grundschule Reifferscheid ausgeführt.

„Bislang wurden somit jedoch nicht nur die Klassenräume mit frischer Farbe auf Vordermann gebracht; bei den Kindern wuchs gerade auch das Interesse an den Menschen, denen sie beim Renovieren ihrer Schule täglich zusahen. Caritas und Schule nahmen dies zum Anlass, das Thema Flucht gemeinsam für die Grundschüler anzusprechen“, berichtet Caritas Pressesprecher Arndt Krömer.

„Die Lehrerinnen stellten fest, dass die Kinder beispielsweise wissen wollten, warum die Menschen ihre Heimat verlassen haben und über welche Wege sie zu uns gekommen sind“, so Stefan Hiller, Projektleiter für alle Flüchtlingsgruppen bei der Caritas. „Wir wollten ihnen Antworten auf ihre Fragen gerne aus erster Hand geben und daher einen direkten Kontakt zwischen ihnen und den Geflüchteten herstellen. Denn Integration in unsere Kultur beginnt mit den ersten persönlichen Begegnung, daher war uns das wichtig.“ Schulleitung Gaby von der Heydt ergänzt: „Wir haben uns mit den Kindern auf drei Fragen geeinigt, die sie gerne stellen wollten: »Wo kommt ihr her? Warum seid ihr geflohen? Wie seid ihr geflohen?« Das hat sie am meisten beschäftigt.“

ie Kinder hatten einige Fragen an die Flüchtlinge. Bild: Arndt Krömer
Die Kinder hatten einige Fragen an die Flüchtlinge. Bild: Arndt Krömer

So wandten sich die acht- bis zehnjährigen Grundschüler gemeinsam mit der Schulleitung an ihre Gegenüber, die gemeinsam mit ihnen im Lehrerzimmer Platz genommen hatten. Die erste Frage war schnell beantwortet: Hajrudin, Edin, Bobby, Bassam und Jamil kommen aus Bosnien, Ghana, Syrien und Tadschikistan. Die Klärung der Frage nach dem „warum“ nahm deutlich mehr Zeit in Anspruch. Wichtigster Grund: Krieg. Kämpfe und Gewalterfahrungen im eigenen Land, zerstörte Häuser, politische Verfolgung, Flucht vor Gefangenschaften, verlorene Eltern und Freunde – darum haben sie ihre Heimat verlassen.

Uwe Bergmann von der Caritas leitet die ARTE-Gruppe in Hellenthal und versucht den Kindern zu erklären, warum Jamil aus Tadschikistan seine Heimat verlassen hat: „In manchen Ländern darf man nicht einfach alles sagen, was man möchte. Sobald man etwas gegen den Staat sagt, muss man damit rechnen, dass man mit Waffengewalt ins Gefängnis kommt. Davor ist Jamil geflohen.“ Die Kinder hören aufmerksam zu.

„Ich habe schon mal Bilder im Fernsehen von den kaputten Häusern gesehen“, kommentiert eine Schülerin interessiert und ihr Klassenkamerad fügt hinzu „Ja, ich auch, oder Filmaufnahmen.“
„Was die Schilderungen wirklich bedeuten, können junge Schüler jedoch vermutlich ebenso wenig erfassen wie die erwachsenen Zuhörer“, so Krömer weiter. Auch die Frage nach dem Weg nach Deutschland sei nicht immer in nur einem Satz zu erklären gewesen.

Hajrudin und Edin seien wegen ihrer Kriegserfahrungen mit den Serben im 24-Stunden-Bus direkt nach Deutschland gekommen. Bassam habe die Strecke von Syrien mit dem Zug, mit dem Auto und auch zu Fuß überwunden. Die Geschichte von Bobby aus Ghana schließ sei zu lang für eine kurze Antwort gewesen, deshalb habe er sie auf zwei DIN A4-Seiten aufgeschrieben. Im Alter von zehn Jahren habe sich der heute 24-Jährige nach einem Leben als Sklave und zahlreichen Kriegserfahrungen vor Ort, bei denen er seine Eltern verlor, mit einem Onkel monatelang über Burkina Faso und die Wüste Nigers bis Libyen durchschlagen. Auch der Onkel sei bei der Reise ums Leben gekommen. Nach einem fünftägigen Trip auf dem Boot – ohne Essen und Trinken – sei er auf Lampedusa angekommen und schließlich über Italien nach Deutschland gelangt.

Viele der genannten Staaten seien den Kindern noch unbekannt gewesen. Das will Gaby von der Heydt nun ändern: „Wir werden alle Herkunfts- und durchreisten Länder auf einer großen Weltkarte ansehen und für jeden dieser Menschen, den wir in unserer Schule kennengelernt haben, eine Nadel in dessen Heimatort anstecken. Zu jeder Nadel werden wir dann das passende Portrait und die heute gehörte Geschichte neben der Karte aufhängen.“ So möchten Schule und Caritas den Kindern, Lehrerinnen und Eltern die Möglichkeit bieten, sich dem Thema „Flucht“ nicht nur durch Radio, Fernsehen und Internet, sondern auch durch einen persönlichen Bezug zu nähern. (eB/epa)

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