Zeugnisse vom Flüchtlingselend und Wohnen in der Not

Im LVR-Freilichtmuseum Kommern können ab dem 8. September zwei „Nissenhütten“ besichtigt werden

Zwei halbrunde Wellblechbaracken, so genannten Nissenhütten, veranschaulichen die Notunterbringung ausgebombter Familien, Vertriebener und von Flüchtlingen in der Kriegs- und Nachkriegszeit. Bild: Carsten Vorwig/LVR
Zwei halbrunde Wellblechbaracken, so genannten Nissenhütten, veranschaulichen die Notunterbringung ausgebombter Familien, Vertriebener und von Flüchtlingen in der Kriegs- und Nachkriegszeit. Bild: Carsten Vorwig/LVR

Mechernich-Kommern –  Ab Donnerstag, 8. September, soll die neue zeitgeschichtliche Baugruppe „Marktplatz Rheinland“ im LVR-Freilichtmuseum Kommern um zwei weitere Gebäude anwachsen. Zwei halbrunde Wellblechbaracken, so genannten Nissenhütten, veranschaulichen die Notunterbringung ausgebombter Familien, Vertriebener und von Flüchtlingen in der Kriegs- und Nachkriegszeit. Die Geschichte der Nissenhütte beginnt Mitte des Ersten Weltkriegs. Peter Norman Nissen, kanadischer Ingenieur und britischer Offizier, ist im Juni 1916 mit seiner Einheit in Belgien stationiert und erfährt, wie unzureichend die Soldaten untergebracht sind. Er beginnt an einer Hütte zu tüfteln, die mobil einsetzbar ist und innerhalb weniger Stunden von gerade mal sechs Mann aufgebaut werden kann.

Die Vorgesetzten sind von der simplen Konstruktion aus Wellblech überzeugt und erteilen im August 1916 den Auftrag zur Produktion der ersten Serie. Sie kommt in den Etappen der französischen Kriegsfront zum Einsatz.

Auch im Zweiten Weltkrieg setzt die britische Armee Nissenhütten für die Unterbringung ihrer Soldaten ein. Gerade im Rheinland und in Westfalen, die mit Kriegsende zur britischen Besatzungszone werden, können Hunderte solcher Hütten nun für die Unterbringung obdachlos gewordener Familien genutzt werden. In Städten bilden sich ganze Straßenzüge oder Lager aus den halbrunden Hütten. In der Not müssen Nissenhütten auch als Schulen, Kirchen oder Ladenlokale dienen.

Heute sind nur noch wenige Nissenhütten in ihrer ursprünglichen Form erhalten geblieben. Eine von ihnen steht nun auf dem „Marktplatz Rheinland“ des Freilichtmuseums. Sie stammt von einem Kasernengelände der britischen Rheinarmee in Krefeld-Bockum und ist nach Angaben einer Flüchtlingsfamilie eingerichtet worden, die darin untergebracht war. Die zweite im Museum nun wiederaufgebaute Nissenhütte war zuletzt Viehstall in der Gegend um Venlo. Ursprünglich stand sie auf einem Fliegerhorst in der Nähe. Im Freilichtmuseum beherbergt sie eine umfangreiche Bild-, Text- und Filmdokumentation zur Geschichte der Nissenhütte und zum Leben und Wohnen in den Notjahren nach dem letzten Krieg.

Die beiden Nissenhütten sind im Freilichtmuseum nicht die ersten Zeugnisse vom Flüchtlingselend. Bereits vor einigen Jahren wurde eine Wohncontaineranlage auf den Marktplatz Rheinland transloziert, die 1992 von der Gemeinde Titz bei Düren für die Unterbringung ihr zugewiesener Flüchtlinge errichtet worden war. (epa)

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