Bestsellerautor Peter Stamm begeisterte seine Zuhörer beim Eifel Literatur Festival

Von Rolf Lorig Mehr als 400 Besucher lauschten aufmerksam in der Aula der früheren Hauptschule der Vorstellung seines neuesten Werks „Die sanfte Gleichgültigkeit der Welt“

Peter Stamm las aus seinem neuen Buch "Die sanfte Gleichgültigkeit der Welt". Bild: Harald Tittel/ELF
Peter Stamm las aus seinem neuen Buch „Die sanfte Gleichgültigkeit der Welt“. Bild: Harald Tittel/ELF

Prüm – Als Geschichtenerzähler am Stammtisch, davon ist der Schweizer Schriftsteller Peter Stamm überzeugt, würde er nicht taugen: „Da wäre ich immer viel zu kurz.“ Diese Kürze kommt aber in der Literatur bestens an. Besonders bei Lesungen, wo der bescheiden auftretende Literat die Menschen wie ein Magnet anzieht. So auch beim Eifel Literatur Festival am vergangenen Freitag. In der Aula der früheren Prümer Hauptschule erlebten gut 400 Besucher mit dem Shootingstar der Schweizer Gegenwartsliteratur einen gleichermaßen unterhaltsamen wie informativen Abend ohne jegliche Längen.

Eines verbindet Schriftsteller und Musiker: sie müssen sich immer an ihrem größten Erfolg messen lassen. Bei Peter Stamm war das „Agnes“, sein vierter Roman. Gleichzeig war das aber auch sein Debütroman, denn für die ersten drei hatte sich kein Verlag interessiert. „Agnes“ katapultierte 1998 den bis dahin unbekannten Autor mit einem Schlag in die Bestellerlisten. Mehr noch: Mit dem Buch, das vom Scheitern einer Liebesgeschichte zwischen einem etwa vierzigjährigen Schweizer Sachbuchautor und Agnes, einer fünfundzwanzigjährigen amerikanischen Doktorandin der Physik, berichtet, setzen sich aktuell in Baden-Württemberg junge Frauen und Männer beim Zentralabitur auseinander.

Festivalleiter Dr. Josef Zierden (rechts) zeigte sich als intensiver Kenner der Bücher Stamms. Bild: Harald Tittel/ELF
Festivalleiter Dr. Josef Zierden (rechts) kannte alle Arbeiten des Autors Peter Stamm. Bild: Harald Tittel/ELF

Was aber macht den Erfolg von Peter Stamm aus? Dieser Frage ging Dr. Josef Zierden, Leiter des Eifel Literatur Festivals in seiner Anmoderation nach. Viele Kritiker würden die Einfachheit seines Schreibstils dafür verantwortlich machen, so Zierden. Und tatsächlich zeichne sich dieser Stil durch eine warme Sprache, kurze Hauptsätze und eine verknappte Erzählung aus, die aber das Wesentliche in den Fokus stelle. „Stamms Romane neigen nicht dazu auszuufern.“

Dass dem so ist, stellte der Schweizer Autor dann bei der Lesung seiner neuesten Romannovelle „Die sanfte Gleichgültigkeit der Welt“ unter Beweis. Jeder der Anwesenden, der „Agnes“ gelesen hatte, fühlte sich sofort an das Erstlingswerk erinnert. In der Tat habe er schon seit Jahren dieses Thema nochmals aufgreifen wollen, berichtete Stamm. Zum einen sei es ihm ein persönliches Anliegen gewesen, zum anderen sei diese Anregung aber auch von zahlreichen Schülern gekommen, die sich im Unterricht mit diesem Roman auseinandergesetzt hatten. So sei er auf die Idee gekommen, ein Buch im Buch zu schreiben, in dem die Handlungsfiguren auf ihre literarischen Doppelgänger stoßen. Wie das passiert und zu welchen Begegnungen, Aussagen und Geständnissen es dabei kommt, trug der Schweizer Autor in knapp 40 Minuten an einem alten, leise knarrenden Schulpult sitzend und sich gelegentlich an einem Glas Rotwein labend, mit angenehm tiefer, leicht kratzig klingender Stimme, vor.

Der Autor ließ es sich nicht nehemen, jeden Signierwunsch zu erfüllen. Bild: Harald Tittel/ELF
Der Autor ließ es sich nicht nehmen,  jeden Signierwunsch zu erfüllen. Bild: Harald Tittel/ELF

Vermutlich hätte es kaum weiterer 40 Minuten bedurft, um die 156 Seiten komplett vorzutragen. Doch da waren die Regie und Josef Zierden vor. Denn welchen Reiz übt beim Kauf noch ein Buch aus, das man bereits kennt? Nachdem sich die Besucher nun ein Bild vom Stil des Schriftstellers hatten machen können, stellte Josef Zierden den Menschen Peter Stamm in den Mittelpunkt der zweiten Hälfte der Veranstaltung. Wie immer hatte sich der Festivalleiter intensiv mit dem Schaffen seines Gastes auseinandergesetzt. In dem nun folgenden etwa 50-miütigen Gespräch beantwortete der 1963 geborene Schweizer Fragen wie „Wann ist man ein Schriftsteller?“ („Kollegen haben mir gesagt, dazu müsse man sieben Bücher geschrieben haben“), „Wie nähert man sich seinem Ziel an?“ („Vergleichbar mit den zahlreichen Windungen, die auf einen Berg führen“), „Was denkt ein Autor, wenn sich Schüler mit seinem Werk auseinandersetzen?“ („Ein guter Weg, Autoren sollten ihre Bücher nicht auch noch interpretieren“), und ließ sich den Prozess des Schreibens schildern („Die Schreibzeit ist mir die schönste Zeit, da brauche ich keine Disziplin zu“). Wichtig, so erfuhren die Zuhörer, sei ihm, dass seine Figuren immer ein Eigenleben hätten, das nicht vorhersehbar mache, wohin die Reise gehe. Ähnlich wie ein Seiltänzer ohne Netz brauche auch er den Druck des Risikos zum guten Gelingen. Dass insbesondere seine männlichen Figuren sich durch Unschlüssigkeit, Nachdenklichkeit und nicht gerade durch zielstrebiges, spontanes Verhalten auszeichnen, auch das wusste Stamm zu begründen: „Tat-Menschen sind für die Literatur weniger geeignet, unentschlossen wirkende Typen sind für den Autor viel fruchtbarer als Tat-Menschen.“

Um dieses Buch ging es bei der Lesung. Bild: Harald Tittel/ELF
Um dieses Buch ging es bei der Lesung. Bild: Harald Tittel/ELF

Im Dialog mit Josef Zierden äußerte sich Peter Stamm immer wieder nachdenklich-philosophisch. Beispielsweise, wenn es um das Thema Schönheit ging: „Da sind oft die Fragen spannender als die Antworten.“

Doch wie steht es um die Liebe – insbesondere um die Liebe auf den ersten Blick? Da wollte sich der Philosoph nicht zu äußern, das Thema sieht Stamm doch eher pragmatisch: „Ein Mythos? Vielleicht. Doch vermutlich hat das eher mit Kommunikation zu tun. Denn ein Funke allein genügt nicht für ein ganzes Leben.“

 

 

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