„KAZETT-Kabarett“ – Wenn das Lachen im Halse stecken bleibt

Von Michael Mombaur – Mit „Widerworte in brauner Zeit“ sorgten Eckhard Radau und Bernd Düring vom „Radau Kabarett“ für einen nachdenklichen, aber zugleich auch vergnüglichen Abend voller Wortwitz und Tiefgang im vollbesetzten Theaterkeller des St. Michael-Gymnasiums Bad Münstereifel

Eckhard Radau (v.l.) und Bernd Düring ließen mit ihrem „KAZETT-Kabaret“ von den NS-Schergen verfolgte Kabarettisten, Publizisten und Humoristen wieder auferstehen. Foto: Janina Lippmann
Eckhard Radau (v.l.) und Bernd Düring ließen mit ihrem „KAZETT-Kabaret“ von den NS-Schergen verfolgte Kabarettisten, Publizisten und Humoristen wieder auferstehen. Foto: Janina Lippmann

Bad Münstereifel – „Kazett-Kabarett – Widerworte in brauner Zeit“, so lautete der Titel des Programms von Eckhard Radau und Bernd Düring, mit dem sie jetzt im vollbesetzten Theaterkeller des St. Michael-Gymnasiums Bad Münstereifel ihr Publikum begeisterten. Dabei verliehen sie von den Nazis verfolgten Kabarettistinnen und Kabarettisten eine Stimme.

Dazu nutzen die beiden Künstler aus Paderborn unter anderem den „Küchenchef“ von Erika Mann:  „Mich kennt man doch, ich bin der Koch. / Der Küchenchef der Mächtige, / Der alles kann, der alles weiß, / Von Parmesan bis Trüffelspeis.“ Erika Manns vor Wut kochender, autokratischer Küchenchef aus ihrem berühmten Pfeffermühlenprogramm schreit die Küchengehilfen an, schlägt Katzen tot,  bereitet sie den Gästen zu und rührt so grausige Speisen mit undefinierbaren Inhalten zusammen– und der Gast frisst und zahlt den Preis.

Bissig und hellsichtig persifliert Mann in ihrem Münchner Theater den barbarischen Adolf Hitler, der die Massen mit seinem Verbalbrei verführt und eine Suppe aus Hass, Zynismus und Wut anrührt – und sie tut dies Wand an Wand zum Diktator, der nebenan im Hofbräuhaus wütet.

Diese Nähe von Humor und Hass, von hintergründigem Lachen und gruseligen Einblicken in die mörderische Wirkkraft des nationalsozialistischen Regimes ließ eine ganz eigene Spannung im Theaterkeller des städtischen Gymnasiums entstehen. Das Lachen über ein von den Nazis vereinnahmtes stramm-deutschen Eichhörnchen, das fast im Stechschritt den urdeutschen Wald durchkämmt, blieb dem ein oder anderen im Halse stecken, als man hörte, wie die Kabarettisten und Humoristen zunehmend von den NS-Schergen verfolgt und unter Druck gesetzt, vertrieben oder, noch schlimmer, ins KZ deportiert wurden wie zum Beispiel Werner Finck und Fritz Grünbaum, der gedemütigt und gefoltert in Dachau im Januar 1941 stirbt. Noch am Abend vor seiner Verhaftung stellte er angesichts eines Stromausfalls in seinem Theater auf offener Bühne fest: „Ich sehe gar nichts, absolut gar nichts, da muss ich mich in die nationalsozialistische Kultur verirrt haben.“

Es werden an diesem Abend die satirischen und humoristischen Bonmots dieser und weiterer wortgewaltiger Bühnenkünstlerinnen und -künstler wieder lebendig – durch den Conférencier Eckhard Radau, der in Begleitung des virtuosen Bernd Düring mir ihrem „Radau Kabarett“ ein Stimmungsbild der 30-er Jahre zeichnet und dessen beeindruckende Stimmmodulation und sichere Handhabung der Pointen die Texte samt ihrer Autoren neu entstehen ließ. Ergänzt von nachdenklich-machenden Hintergrundinformationen aus der schrecklichen Zeit wirken die mutigen Einlassungen der hellsichtigen Meister des Humors umso mehr, und wenn zum Beispiel der unter der Zensur leidende Finck sich auf offener Bühne als „gedrosselten Finck“ bezeichnet und so dem Publikum seine Situation verdeutlicht, schmunzelt man mit – und man erschrickt, wenn man sich nach dem entlarvenden  Couplet des deutschen Komponisten Friedrich Hollaenders „An allem sind die Juden schuld“ beim Lachen ertappt.

Auch hellsichtige Worte von Joachim Ringelnatz, Kurt Tucholsky und Erich Kästner fehlten nicht. Letzterer äußerte schon 1932 auf die Melodie des Horst Wessel-Liedes in seinem „Marschliedchen“ die Einsicht: „Die Zeit wird kommen, da man sich erzählt: Mit diesen Leuten war kein Staat zu machen!“ Finanziell unterstützt wurde die Aufführung durch die Friedrich-Naumann-Stiftung.

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