Die Flutkatastrophe in Kall – Eine Bilanz

Von Reiner Züll Drei Mitbürger verloren ihr Leben – 20 Einsatzfahrzeuge versanken vor dem Feuerwehrgerätehaus im Hochwasser – Zwei 5-Zentner-Weltkriegsbomben freigespült – Bürgermeister Hermann-Josef Esser ist sich sicher, es wird Jahre dauern, um alle Schäden zu beseitigen – Bauministerin Scharrenbach sprach den Menschen vor Ort Trost zu

Als das Wasser im Morgengrauen langsam ablief, wurde das Maß der Beschädigungen an den Autos der Feuerwehrleute deutlich. Foto: Reiner Züll
Als das Wasser im Morgengrauen langsam ablief, wurde das Maß der Beschädigungen an den Autos der Feuerwehrleute deutlich. Foto: Reiner Züll

Kall – Drei tote Kaller Mitbürger, viele Verletzte, hunderte überflutete Häuser oder Wohnungen und tonnenweise zerstörter Hausrat an den Straßenrändern zeugen fünf Tage nach dem folgenschweren Hochwasser noch immer von der Wucht des Unwetters,  das am Mittwochabend  über Teile der Gemeinde Kall hereingebrochen war. Begleitet wurde das Geschehen vom Ausfall der Strom- und Wasserversorgung sowie des Telefon- und Handynetzes. Ehe das Kabelfernsehen in den betroffenen Regionen des Kreises wieder funktioniere, würden noch mehrere Tage vergehen, hieß es am Sonntag bei der Vodafone GmbH in Köln. Große Teile der Infrastruktur seien durch das Unwetter zerstört worden.

Am Mittwochabend stieg und stieg das Wasser unaufhaltsam und ließ Autos und die Gebäude der e-regio (Hintergrund) versinken. Das Hochwasser stieg am Ende auf eine Höhe von zwei Metern. Foto: Reiner Züll
Am Mittwochabend stieg und stieg das Wasser unaufhaltsam und ließ Autos und die Gebäude der e-regio (Hintergrund) versinken. Das Hochwasser stieg am Ende auf eine Höhe von zwei Metern. Foto: Reiner Züll

Die Feuerwehren der Gemeinde Kall waren am Mittwoch in Anbetracht des drohenden Unwetters in Alarmbereitschaft versetzt worden. Von der bisher noch nie dagewesenen Wucht der Zerstörung wurden sie dennoch überrascht. Schwerpunkte am frühen Abend waren die Orte Kall, Sötenich und Urft entlang des Urftbaches, der sich innerhalb kürzester Zeit in einen reißenden Strom verwandelte und über die Ufer trat.

In der Koordinierungsstelle der Gemeindefeuerwehr, die im Kaller Gerätehaus eingerichtet war, gingen die Hilfsrufe betroffener Bürger im Minutentakt ein.

Um 22 Uhr schwammen in Kall die ersten Autos durch die Fluten. Foto: Reiner Züll
Um 22 Uhr schwammen in Kall die ersten Autos durch die Fluten. Foto: Reiner Züll

Als schließlich der Strom ausfiel und auch die Überflutung des Kaller Gerätehauses drohte, wurde dieses geräumt. Mit Hilfe des in Kall stationierten Einsatzleitwagens II wurde die Koordinierungsstelle in den hoch gelegenen Bereich am Ostlandkreuz verlegt.

Eine weise Entscheidung, denn innerhalb kürzester Zeit stand die gesamte Feuerwache über zwei Meter hoch unter Wasser. Etwa 20 vor dem Gerätehaus abgestellte Fahrzeuge der Einsatzkräfte versanken im Hochwasser oder wurden weggespült. Ein Anhänger der Feuerwehr wurde erst zwei Tage später auf einem Garagendach in der Bahnhofstraße wieder gefunden.

Die Bahnlinie Köln-Trier wurde zwischen Urft und Kall streckenweise metertief unterspült. Eine Wiederherstellung dürfte Wochen in Anspruch nehmen. Foto: Reiner Züll
Die Bahnlinie Köln-Trier wurde zwischen Urft und Kall streckenweise metertief unterspült. Eine Wiederherstellung dürfte Wochen in Anspruch nehmen. Foto: Reiner Züll

In Urft, Sötenich und Kall erreichten die reißenden Wassermassen eine noch nie dagewesen Höhe. Autos wurden wie Spielzeuge weggeschwemmt, Bäume wie Streichhölzer abgeknickt und der Asphalt ganzer Straßenzüge zerstört.

In Sötenich riss die Flut einen Teil des Bürgerhauses weg, die Bahnlinie Köln-Trier ist im Bereich der Gemeinde Kall zwischen Urft und Sötenich an vielen Stellen metertief unterspült, so dass es Wochen dauern wird, ehe auf dieser Strecke wieder ein Zug fährt. Zwischen Urft und Sötenich spülten die Fluten zu allem Übel unter der Bahnstrecke auch noch zwei 5-Zentner-Weltkriegsbomben frei, die am Donnerstag und Freitag vom Kampfmittelräumdienst entschärft werden mussten.

An der neu eingerichteten Grundschule in Kall erkundigte sich Ministerin Ina Scharrenbach bei Hausmeister Guido Wiesen (rechts), ob die Schule nach den Ferien genutzt werden könne. Zusagen konnte Wiesen das nicht. Foto: Reiner Züll
An der neu eingerichteten Grundschule in Kall erkundigte sich Ministerin Ina Scharrenbach bei Hausmeister Guido Wiesen (rechts), ob die Schule nach den Ferien genutzt werden könne. Zusagen konnte Wiesen das nicht. Foto: Reiner Züll

In der Ortsdurchfahrt von Urft blieb nicht ein einziges Haus von den Fluten verschont. Die Löschgruppe Wahlen verlor beim Einsatz in Urft ihr Löschfahrzeug, das von den Fluten weggerissen und zerstört wurde. Im letzten Moment hatte sich die Besatzung aus dem umgestürzten Fahrzeug retten können. In Kall waren Feuerwehr und DRK stundenlang mit der Rettung von Menschen beschäftigt. Einige Pflege- und Senioreneinrichtungen im Kaller Ortskern mussten evakuiert werden.

In Kall wurden sowohl der Aschenplatz als auch der Rasenplatz des Kaller SC völlig zerstört. Ebenso die Tennisplätze des TV Kall. Von dem neuen Bahnhofsvorplatz  in der Ortsmitte blieb nur eine Stein-,  Schlamm- und Geröllwüste übrig. Im ganzen Ort waren zerstörte und gestrandete Autos, aufgerissene Gehwege und völlig zerstörte Geschäfte zu sehen.

Als sich das Hochwasser verzogen hatte, blieb in der Fahrzeughalle der Feuerwehr eine dicke Schlammschicht auf Bekleidung, Gerät und dem Hallenboden zurück. Foto: Reiner Züll
Als sich das Hochwasser verzogen hatte, blieb in der Fahrzeughalle der Feuerwehr eine dicke Schlammschicht auf Bekleidung, Geräte und dem Hallenboden zurück. Foto: Reiner Züll

Am Freitag machte sich Ina Scharrenbach, NRW-Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung, ein Bild von der Lage in Kall. Zusammen mit Bürgermeister Hermann-Josef Esser, dessen direktem Vertreter Michael Heller, dem CDU-Landtagsabgeordneten Dr. Ralf Nolten und Gemeindewehrleiter Harald Heinen absolvierte die Ministerin zu Fuß einen Rundgang durch den Ort. Sie nahm sich viel Zeit und sprach mit geschädigten Bürgern. Sie war sichtlich betroffen.

Beim Anblick der Verwüstungen im Inneren des Feuerwehrgerätehauses und der Zerstörung der gesamten Einsatzkleidung der Wehrleute oder auch der massiven Zerstörungen am Rathaus zeigte sich Ina Scharrenbach entsetzt. „Jetzt gilt es, erst einmal alles aufzuräumen, und dann kriegen wir das alles wieder gemeinsam hin“, versuchte die Ministerin abschließend etwas Zuversicht zu wecken. Das aber wird noch Jahre in Anspruch nehmen, ist sich Bürgermeister Hermann-Josef Esser sicher.

Ein chaotisches Bild bot sich nahe der Lebenshilfe in der Hindenburgstraße, wo keines der Häuser verschont geblieben war. Foto: Reiner Züll
Ein chaotisches Bild bot sich nahe der Lebenshilfe in der Hindenburgstraße, wo keines der Häuser verschont geblieben war. Foto: Reiner Züll

Am Samstag und Sonntag wurde die Kaller Wehr von etwa 30 Freiwilligen beim Entrümpeln des Gerätehauses unterstützt. Frauen griffen zu Wasserschlauch und Schrubber, um die Fahrzeughalle und die verschlammten Nebenräume zu säubern. Löschzugführer Daniel Rütz war berührt von der großen Hilfe, die der Feuerwehr entgegen gebracht wurde. „Ich weiß gar nicht, wie ich den Leuten alle Danke sagen soll“, so Rütz.

Und auch für die zerstörte Einsatzkleidung der Kaller Feuerwehrleute sowie für das total beschädigte Löschfahrzeug der Wahlener Wehr gab es schnell Ersatz. Die Werksfeuerwehr einer Weltfirma aus Düsseldorf, auf dessen Leitstelle der Krekeler Thorsten Züll seinen Dienst versieht, hatte auf dessen Bitte spontan 30 Einsatzuniformen zur Verfügung gestellt. Diese wurden am Sonntag von Züll in Düsseldorf abgeholt – mit einem Lieferwagen des Krekeler Autohauses Finder, das sogar den Sprit für den Transport sponserte. Am Montagmittag brachte die Werksfeuerwehr schließlich auch noch ein Ersatz-Löschfahrzeug für die Feuerwehr Wahlen nach Kall.

 

Ein Gedanke zu „Die Flutkatastrophe in Kall – Eine Bilanz“

  1. Drei Tage vor der Katastrophe
    waren wir hier wandern und hatten
    eine schöne Zeit nach anderthalb
    Corona-Jahren. Wir kommen
    wieder!

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