Hilfsbereitschaft für Flutgeschädigte ungebrochen

In den Spendenlagerndes Bauhofes Gemeinde Kall und bei Möbel Brucker kommen Lieferungen aus ganz Deutschland an – Bauhofleiter André Kaudel: „Wir sind jedem Helfer dankbar“ – Eine Familie aus Vechta, deren Haus vor Jahren abgebrannt war, ging im Baumarkt aus eigener Tasche auf große Einkaufstour für die Kaller Flutopfer 

Bauhofleiter André Kaudel (2.v.l.) koordiniert mit seinen freiwilligen Helferinnen und Helfern den Eingang und die Ausgabe der Hilfsgüter. Foto: Reiner Züll
Bauhofleiter André Kaudel (2.v.l.) koordiniert mit seinen freiwilligen Helferinnen und Helfern den Eingang und die Ausgabe der Hilfsgüter. Foto: Reiner Züll

Kall – Sie hatten die vierstündige 340 Kilometer weite Reise von Vechta nach Kall gern in Kauf genommen, nur um den Opfern der schweren Flut am 14. Juli zu helfen: Der Transporter, mit dem Jürgen Dirkes und dessen Sohn Florian am 2. August den Bauhof der Gemeinde ansteuerten war voll beladen mit Hilfsgütern, die die Familie aus dem hohen Norden aus eigener Tasche bezahlt hatten.

Mit seiner Ehefrau Andrea und der Tochter Denise waren Vater und Sohn in einem Handwerkermarkt in Vechta auf große Einkaufstour gegangen, um die Kaller Flutopfer zu unterstützen. 150 Eimer, jede Menge Schrubber, Schaufeln, Besen, Reinigungsmittel, mehrere große Kartons Toastbrot und sogar einen nagelneuen Kühlschrank hatten die Nordlichter zum Bauhof gebracht.

Mit einem nagelneuen Transporter seines Chefs brachten Jürgen Dirkes und dessen Sohn Florian aus Vechta eine ganze Wagenladung Hilfsgüter zum Bauhof. Foto: Reiner Züll
Mit einem nagelneuen Transporter seines Chefs brachten Jürgen Dirkes und dessen Sohn Florian aus Vechta eine ganze Wagenladung Hilfsgüter zum Bauhof. Foto: Reiner Züll

Nicht nur, dass Jürgen und Florian Dirkes die lange Anfahrt nach Kall in Kauf genommen hatten, sie blieben auch noch über Nacht in Kall, um am anderen Tag das im Bauhof tätige Helferteam beim Sortieren und Ausgeben der Hilfsgüter zu unterstützen.

Eigentlich wollte das Vater-Sohn die Nacht in einem mitgebrachten Zelt verbringen, doch Bauhofleiter André Kaudel besorgte ihnen ein Nachtquartier in Urft. „Unser Haus ist vor Jahren abgebrannt, daher wissen wir, wie es Familien geht, die ihr ganzes Hab und Gut verloren haben“, begründete Dirkes die spontane Hilfe seiner Familie: „Wir mussten hier einfach helfen“. Dankbar sei er deshalb auch seinem Chef, der ihm seinen nagelneuen Transporter für die Spendenfahrt nach Kall überlassen habe.

„Es kommen immer noch Sachen aus ganz Deutschland an“, berichtete Kaudel, der die Sortierung und Ausgabe der Hilfsgüter in den Hallen koordiniert. Die Feuerwehr aus dem niedersächsischen Bredenbeck hat mehrere Transporte mit Großgeräten wie Waschmaschinen, Kühlschränken und Gefriertruhen nach Kall absolviert. Diese Großgeräte, so André Kaudel, werden an Familien abgegeben, die nicht gegen Hochwasser versichert sind. Sechs Feuerwehrleute der Bredenbecker Wehr waren direkt nach der Flut zum Helfen nach Kall gefahren und hatten zuhause von den schweren Zerstörungen berichtet.

Kaudels Handy steht kaum mal eine Minute still. Es werden laufend Hilfsgüter angeboten oder nachgefragt. Täglich kann sich der Bauhof-Leiter auf der insgesamt 1500 Quadratmeter großen Lager- und Ausgabefläche auf die Hilfe von rund 20 Freiwilligen verlassen, die sich inzwischen abwechseln – quasi nach einem Dienstplan. Helfer, die von auswärts kommen, können im Jugendwaldheim in Urft übernachten.

Die Ausgabe ist meist mit vier bis sechs Helfern besetzt. Meist gefragte Artikel sind Lebensmittel, Kindernahrung, Spielzeug, Hygieneprodukte, Trinkwasser, Werkzeuge, Besen, Schaufeln, Reinigungsmittel sowie Schubkarren und Gebäude-Trockner – die jedoch große Mangelware sind.

Vom Bauhof aus werden jedoch auch Helfer an Betroffene vermittelt, die in ihren zerstörten Häusern Hilfe brauchen. André Kaudel: „Wir sind für jeden Helfer, der kommt, dankbar.“ Bauhof-Mitarbeiter Klaus Heup hatte für die Fluthilfe einen separaten Bauhof-Facebook-Auftritt eingerichtet, der innerhalb weniger Tage schon von über 10.000 Besuchern aufgerufen wurde.

Auch die aus Kall stammende Angelika Wolter, die vor mehr als 40 Jahren von Kall weggezogen ist, packte im Bauhof mit an. 20 Jahre hat sie nach ihren Wegzug in Spanien gelebt und wohnt seit 20 Jahren in Freiburg. Beim Besuch zum Geburtstag ihrer Mutter war die 65-Jährige über die Zerstörungen in ihrem Heimatort derart schockiert, dass sie eine Woche lang zum Helfen in Kall blieb.

Im Abverkaufs-Lager der Firma Brucker nahe dem Bauhof koordiniert Melanie Frey den Eingang und die Ausgabe der Hilfsgüter. Auch sie kann sich seit Einrichtung des Lagers auf die Unterstützung vieler freiwilliger Helfer verlassen. Mitarbeiter des Möbelhauses opferten ihre Freizeit und sogar ihren Urlaub, um mitzuhelfen. Und auch der Firmen-Junior Maxi hilft in den Ferien bei der Ausgabe mit. Im Brucker-Lager sind Haushaltsartikel, Textilien, Kindersachen, Kinderwagen sowie Schuhe für Groß und Klein. Vielgefragt sei, so Melanie Frey, „alles, was sich ums Putzen dreht“.

Sowohl vom Bauhof als auch vom Brucker-Lager aus werden Hilfsgüter zu den Betroffenen, die nicht mobil sind, geliefert. Dabei beschränkt man sich nicht nur auf Kall, sondern es wird auch Betroffenen im Schleidener Tal oder an der Ahr geholfen.

Leider, so Melanie Frey, werde die Spendenbereitschaft und die Ausgabe der Hilfsgüter von skrupellosen Zeitgenossen ausgenutzt. Eine angeblich bedürftige Frau habe die Hilfsgüter, die sie bei wiederholten Besuchen des Spendenlagers eingepackt hatte, später im Internet zum Verkauf angeboten habe. Eine Anzeige bei der Polizei sei erfolgt. Der Vorfall sie nicht der einzige negative Vorfall gewesen. Nach diesen Erfahrungen werden fremde „Kunden“ des Spendenlagers nach ihren Ausweisen gefragt. (epa)

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