„Jeder Mensch hat eine Chance verdient“

Bei der Bäckerei Bell arbeiten auch Menschen mit Einschränkungen – NEW Job bringt Arbeitgeber und Suchende mit Handicap niederschwellig zusammen

Wir alle essen vom selben Brot, ist das Motto von NEW JOB -Coach Thorsten Baur (l.) und Markus Bell, Inhaber der Bäckerei Bell, in der auch Menschen mit Behinderungen ihren Platz finden können. Bild: Tameer Gunnar Eden/Eifeler Presse Agentur/epa
Wir alle essen vom selben Brot, ist das Motto von NEW JOB -Coach Thorsten Baur (l.) und Markus Bell, Inhaber der Bäckerei Bell, in der auch Menschen mit Behinderungen ihren Platz finden können. Bild: Tameer Gunnar Eden/Eifeler Presse Agentur/epa

Euskirchen/Blankenheim – „Jeder Mensch hat eine Chance verdient“, betont Markus Bell, Inhaber des Familienunternehmens Bäckerei Bell in Blankenheimerdorf. Ausbildung im eigenen Betrieb ist für ihn ebenso selbstverständlich wie das Bereitstellen von Praktikumsplätzen – auch für Menschen mit Behinderungen. „Ich habe beispielsweise beste Erfahrungen mit einem Schüler einer Förderschule gemacht. Nach einem Langzeitpraktikum ist er jetzt fest im Team, kann sich Wohnung und Auto leisten und unabhängig von staatlichen Hilfen leben – ich bin mit ihm sehr zufrieden“, sagt Bell.
Warum das der Bäckerei mit Café, die ausschließlich Produkte aus eigener Herstellung und unter Verwendung von „Eifelähren-Mehl“ anbietet, mittlerweile an vier Standorten so gut klappt, weiß Thorsten Baur. Der ist Job-Coach bei NEW JOB, dem eigenen Fachdienst der Nordeifelwerkstätten (NEW) als Mittler für Menschen mit Behinderungen und dem allgemeinen Arbeitsmarkt. „Herr Bell ist sehr interessiert und fragt nach den Besonderheiten, den Bedürfnissen und Grenzen“, erklärt Baur. Dadurch können gegenseitige Erwartungen und Ansprüche abgeglichen und somit böse Überraschungen vermieden werden.
Thorsten Baur: „Der Vorteil von einem Berufsintegriertem Arbeitsplatz, dem BiAp, ist ja, dass man sich erst einmal etwa durch ein Praktikum an die Betriebsstätte herantasten kann.“ Dem Einsatz in der freien Arbeitswelt geht eine Vorbereitung im geschützten Raum der Nordeifelwerkstätten voraus. Dabei wird auch mit Interviews herausgefunden, welcher Bereich passen könnte und ob der Zeitpunkt für den Schritt in die Außenwelt richtig ist. „Alles wird passgenau auf den Menschen abgestimmt – und man muss nicht direkt eine volle Stelle ausfüllen.“ Für den Arbeitgeber hat ein BiAP auch finanzielle Vorteile, da die Maßnahmen vom Landschaftsverband Rheinland gefördert wird. Zudem zeichnen sich Menschen mit Behinderung oft durch eine hohe Identifikation mit ihrer Beschäftigungsstelle und damit einer oft sehr großen Motivation aus.

Mittendrin im Kundengeschehen ist Nicol Buchholz durch Vermittlung von NEW JOB: In der Bäckerei Bell hat sie eine Beschäftigung trotz ihres Handicaps gefunden. Bild: Tameer Gunnar Eden/Eifeler Presse Agentur/epa
Mittendrin im Kundengeschehen ist Nicol Buchholz durch Vermittlung von NEW JOB: In der Bäckerei Bell hat sie eine Beschäftigung trotz ihres Handicaps gefunden. Bild: Tameer Gunnar Eden/Eifeler Presse Agentur/epa

So wie Nicol Buchholz, die über NEW JOB fortwährend begleitet in der Bäckerei Bell im REWE-Center Blankenheim arbeitet: „Ich gäre Brötchenteig und backe Brötchen, belege Brötchen und Baguettes, die hier »Flute« heißen. Ich sortiere die Waren, desinfiziere im Café die Tische und bekomme jetzt auch eine Kassennummer zum Kassieren!“ Thorsten Baur erinnert sie daran, dass sie achtgeben müsse, sich nicht zu überfordern und Probleme sofort an ihre Arbeitspatin Cordula Klötzer, die ihr von der Bäckerei Bell zur Seite gestellt ist, weitergeben solle. Die Tätigkeit von Nicol Buchholz hat unter anderem in der Lehrküche der NEW in Kall ihren Anfang genommen, wo sie von der Fachkraft Roswitha Kurth vorbereitet und gerade auch in Küchenhygiene und Arbeitssicherheit geschult wurde. Baur: „Eine gute, fortlaufende Kommunikation unter allen Beteiligten ist sehr wichtig. Genau dadurch kann das Ganze gemeinsam wachsen und sich manchmal sogar zu einer festen Anstellung entwickeln.“
Darum geht es auch Markus Bell, der zwar als Selbständiger sehr genau weiß, was Arbeit bedeutet, aber für sich und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein einfaches Rezept hat: „Es geht darum, das Leben lebenswert zu machen. Manche Menschen mit Einschränkungen muss man vielleicht stärker oder mit mehr Wiederholungen anleiten, aber darauf kann man sich einstellen.“ Gerade in der heutigen Zeit des Fachkräftemangels müsse man sich weiter öffnen, und die Erfahrungen in seinem Betrieb mit Menschen mit Handicap sind so gut, dass Markus Bell nicht nur für den Verkauf, sondern aktuell auch für jemandem in der Backstube eine Beschäftigungsmöglichkeit schaffen möchte.

Im „Weinparadies“ des REWE-Center Blankenheim geht es meist ruhiger zu, wie Enrico Godknecht weiß – deshalb bietet er Menschen mit Behinderung dort die Möglichkeit, ohne Hektik in grundlegende Tätigkeiten hineinzuwachsen. Bild: Tameer Gunnar Eden/Eifeler Presse Agentur/epa
Im „Weinparadies“ des REWE-Center Blankenheim geht es meist ruhiger zu, wie Enrico Godknecht weiß – deshalb bietet er Menschen mit Behinderung dort die Möglichkeit, ohne Hektik in grundlegende Tätigkeiten hineinzuwachsen. Bild: Tameer Gunnar Eden/Eifeler Presse Agentur/epa

Diese Einstellung scheint in der Familie Bell verbreitet zu sein, denn auch das REWE-Center Blankenheim, das von Markus‘ Bruder Alexander Bell geleitet wird, hat schon einen „NEW-JOBler“ beschäftigt. Enrico Godknecht, der Markt-Manager: „Wir haben Bereiche, in denen es etwas ruhiger zugeht, etwa in unserer Sonderabteilung für Wein und Whisky. Dort kann man ohne Hektik lernen und langsam in die Tätigkeit reinwachsen.“ Ideal für seine Klientel, wie Thorsten Baur sagt. Das helfe, auch immer mehr Selbstbewusstsein, Selbstwertgefühl und Gespür für das eigene Können, aber auch Grenzen aufzubauen. Baur: „Dennoch kann sich manchmal herausstellen, dass eine Tätigkeit noch nicht ganz passt.“ Nicol Buchholz etwa war vorher in einem Gartencenter, doch da fühlte sie sich schnell überfordert. „Hier funktioniert das, wir haben uns im Team gut kennengelernt und ich kann offen über meine Einschränkungen reden“, so Nicol Buchholz: „Mir ist der Kontakt mit Menschen wichtig, ich genieße das sehr. In kann nur jedem in einer ähnlichen Situation empfehlen, das einfach auszuprobieren!“
Der Fachdienst NEW JOB vermittelt Menschen mit Behinderungen Praktika, Berufsintegrierte Arbeitsplätze, ermöglicht Fortbildungen oder spezielle Schulungen und sogar den Übergang in eine sozialversicherungspflichtige Anstellung, sofern möglich. Die Nordeifelwerkstätten verstehen sich als Dienstleister rund um die Belange von Menschen mit Behinderungen von psychischen Einschränkungen bis hin zur Schwerst-Mehrfachbehinderung mit Werkstattstandorten, Geschäften, Außenarbeitsplätzen und Kantinen quer durch den Kreis Euskirchen. Weitere Informationen im Internet: www.nordeifelwerkstaetten.de
Eifeler Presse Agentur/epa

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

16 − neun =