Wie kann man zukünftigen Flutereignissen begegnen?

Verein „Metternich Hilft“ veranstaltete Infoveranstaltung mit Experten für Starkregen- und Hochwasserschutz

Informierten über mögliche Wege, um künftige Flutereignisse besser in den Griff zu bekommen: Ingenieur Sascha Bach (v.l.), Feuerwehrmann und Landwirt Stephan Brock sowie Udo Becker und Alexander Zeeh vom Verein „Metternich Hilft“. Bild: Tameer Gunnar Eden/Eifeler Presse Agentur/epa
Informierten über mögliche Wege, um künftige Flutereignisse besser in den Griff zu bekommen: Ingenieur Sascha Bach (v.l.), Feuerwehrmann und Landwirt Stephan Brock sowie Udo Becker und Alexander Zeeh vom Verein „Metternich Hilft“. Bild: Tameer Gunnar Eden/Eifeler Presse Agentur/epa

Weilerswist-Metternich – „Wir wissen nicht, was der Klimawandel noch so bringt.“ Diese ebenso nüchterne wie angesichts der Ereignisse in der Juli-Flutnacht Besorgnis erregende Aussage unterstreicht die Dringlichkeit, mit der Stephan Brock jetzt auf einer Informationsveranstaltung des Vereins „Metternich Hilft“ für mögliche Maßnahmen zur Flutvorsorge warb. Das Dorf Metternich der Gemeinde Weilerswist war schwer von der Juliflut betroffen. Die kleine Swist, im Sommer oft mit weniger als 30 Zentimeter Wasserhöhe, war in der verheerenden Nacht auf über vier Meter Höhe angewachsen und in ihrer größten Ausdehnung weit über 200 Meter breit. Um die schwerwiegenden Folgen für die Dorfbevölkerung abzumildern, hatte sich der Verein „Metternich Hilft“ gegründet – „Hilft“ bewusst mit einem großen „H“, denn die Hilfe soll groß sein, wie die beiden Vorsitzenden und Moderatoren des Abends Alexander Zeeh und Udo Becker sagten.
Und dass die Hilfe enorme Dimensionen angenommen hat, konnte Zeeh bei der Veranstaltung in der vollbesetzten Turnhalle der ansässigen Grundschule stolz verkünden: Rund eine halbe Million Euro an Spenden sind bislang eingegangen, 70 Haushalte haben bereits Gelder als Soforthilfe erhalten, die zweite Runde für besonders schwer Betroffene läuft bereits und soll bis Mitte April weiter dringend benötigte Hilfe ohne bürokratischen Aufwand liefern. Erklärtes Ziel ist es aber auch, Vorsorgemaßnahmen zu treffen, um Folgen weiterer Wetterphänomene abzumildern.

Dass Hochwasser- und Starkregenschutz theoretisch erarbeitet und praktisch erfolgreich sein kann, konnte Ingenieur Sascha Bach aus Erfahrungen in Wachtberg berichten. Bild: Tameer Gunnar Eden/Eifeler Presse Agentur/epa
Dass Hochwasser- und Starkregenschutz theoretisch erarbeitet und praktisch erfolgreich sein kann, konnte Ingenieur Sascha Bach aus Erfahrungen in Wachtberg berichten. Bild: Tameer Gunnar Eden/Eifeler Presse Agentur/epa

Dass dies möglich ist, erklärte Ingenieur Sascha Bach dem konzentriert zuhörendem Publikum anhand eigener Erfahrungen. Denn er hat den Hochwasserschutz in der Gemeinde Wachtberg im Rhein-Sieg-Kreis maßgeblich betreut. Dort ist es in nur einem Jahrzehnt mehrfach zu sogenannten Jahrhundert- und Jahrtausendhochwassern gekommen – also zu Ereignissen, die in der Vergangenheit extrem selten auftraten, nun aber gehäuft zu beobachten sind. Bach: „Die Maßnahmen sind zeit- und kostenintensiv, wir reden hier von zwei bis drei Jahren – aber im Juli 2021 hat sich bereits gezeigt, dass die Maßnahmen erfolgreich sind.“
Unmöglich sei, etwa normale Abwasser- oder Oberflächenwasser-Kanäle für die extremen Wassermengen von 200 Millimetern, wie sie in Schweinheim und Metternich in der Flutnacht niederprasselten, zu nutzen. Brock: „Das Wasser braucht Platz, Ziel muss sein, die Ausbreitung in den Ortschaften zu verhindern.“ Der Feuerwehrmann und Landwirt hat sich im Verein „Schweinheim hat Zukunft“ intensiv mit der Materie beschäftigt und sich zum Experten entwickelt. „Wir hatten in der 800-jährigen Geschichte Schweinheims kein solches Ereignis wie im Juli. Bei unseren Recherchen haben wir herausgefunden, dass durch Höhenänderungen im Dorf das Wasser aufgestaut wurde“, so Stephan Brock. Deshalb sei es unter anderem notwendig, wieder Notwasserwege zu schaffen, damit extreme Fluten abfließen und das Dorf ohne größere Schäden wieder verlassen können. Sascha Bach dazu: „Wasser halten wir nicht auf. Wir können nur dafür sorgen, dass es einen möglichst wenig gefährlichen Weg nimmt.“

Stephan Brock ist mittlerweile Experte zum Thema Flut und mahnte zum Zusammenhalt, um die notwendigen Vorsorgemaßnahmen umsetzen zu können. Bild: Tameer Gunnar Eden/Eifeler Presse Agentur/epa
Stephan Brock ist mittlerweile Experte zum Thema Flut und mahnte zum Zusammenhalt, um die notwendigen Vorsorgemaßnahmen umsetzen zu können. Bild: Tameer Gunnar Eden/Eifeler Presse Agentur/epa

Brock beschrieb das riesige Regen-Einzugsgebiet von Metternich: Von 200 Quadratkilometer Fläche läuft das Wasser bei Starkregenereignissen Richtung Dorf. Dazu kommt die Überschwemmungsgefahr durch Flüsse und Bäche. Denn es wird zwischen Hochwasser, also einem Gewässerübertritt, und die Überflutungen durch Starkregen unterschieden. Um letzteres aufgrund der besonderen Topografie mit den großen Regen-Einzugsflächen in den Griff zu bekommen, braucht man Regenrückhaltemöglichkeiten in vielfältiger Art und ausreichender Größe, betonte Brock.
Das können recht einfache Maßnahmen sein wie die Erhöhung eines Feldweges um 1,5 Meter, um die nebenliegende Wiese zu einer Überschwemmungsfläche zu machen. Nötig seien aber auch echte Regenrückhaltebecken mit entsprechenden Dämmen und moderner Ablasstechnik. Trotz des hohen Kostenfaktors sei dies als Schutz alternativlos. Wasser sei in den Dörfern um Schweinheim und Metternich ein mehrfaches Problem, so Brock: „Nach den Dürresommern mit Ernteausfällen im sechsstelligen Bereich allein in unserem Betrieb ist Trockenheit ebenso ein Thema.“  Ein ausreichend dimensionierter Rückhalteraum könnte beide Probleme – zu viel und zu wenig Wasser – lösen.

Udo Becker, Vorsitzender „Metternich Hilft“, warb um weitere Unterstützung des Vereins“, um akute und künftige Not unbürokratisch lindern zu können. Bild: Tameer Gunnar Eden/Eifeler Presse Agentur/epa
Udo Becker, Vorsitzender „Metternich Hilft“, warb um weitere Unterstützung des Vereins“, um akute und künftige Not unbürokratisch lindern zu können. Bild: Tameer Gunnar Eden/Eifeler Presse Agentur/epa

Wie extrem die Fließgeschwindigkeiten in der Julinacht durch den mangelnden Ausbreitungsraum für das Wasser tatsächlich war, verdeutlichte Brock: „Der Rhein fließt mit etwa zwei Metern pro Sekunde – in der Flutnacht hatten wir acht Meter pro Sekunde, das reißt alles mit.“ Man müsse umdenken: „Wir müssen dafür sorgen, dass das Wasser gar nicht erst in die Orte fließt oder eben so langsam, dass wir reagieren können.“ Um die richtigen Maßnahmen dafür zu treffen, kann man auf digitale Hilfsmittel zurückgreifen, wie Sascha Bach erläuterte: „Es gibt digitale Topografiekarten, auf denen alle Höhen vermessen sind. Man kann dann verschiedene Starkregenereignisse mit den entsprechenden Wasserbewegungen simulieren und sehen, wie sich installierte Maßnahmen auswirken.“ Dass dies auch in der Praxis funktioniere, habe man im Juli in Wachtberg sehen können.
Stephan Brock: „Um diese Maßnahmen umsetzen zu können, muss man allerdings alle an einen Tisch holen – Anwohner, Landwirte, Behörden, Bürgermeister, Betreiber von Talsperren – nur zusammen können wir etwas erreichen.“ Es müsse auch Ausgleichszahlungen geben, wenn etwa jemand seine Wiesenfläche als Überflutungsgebiet zur Verfügung stellt und diese deshalb nur bedingt bewirtschaften kann. Oberflächen und Bewuchs müssten angepasst, Bach- und Flussläufe wieder natürlicher gestaltet und Häuser wieder etwa wie früher in Schweinheim üblich erhöht gebaut werden – oder eben durch „Tieferlegung“ der umgebenden Straßen und damit Schaffung von Notwasserwegen geschützt werden.
Alexander Zeeh fragte wegen der deutlichen Dringlichkeit bei der anwesenden Weilerswister Bürgermeisterin Anna-Katharina Horst nach den momentanen Maßnahmen zum Schutz vor neuen Fluten und dem Zeitplan von Gemeindeseite aus. Horst erklärte, dass man in Zusammenarbeit mit Kommunen, Kreis Euskirchen und dem Erftverband Maßnahmen sondiere und insbesondere eine aktuelle Starkregenkarte erstelle, konnte aber keine Angaben zur zeitlichen Umsetzung machen. Brock berichtete hingegen vom Verein „Schweinheim hat Zukunft“, dass man dort neben viel Eigenarbeit und reger Kommunikation mit allen Beteiligten auch etwa Geld für Fachleute wie Sascha Bach in die Hand nehme und von behördlicher Seite eher zu hören bekäme: „Ihr seid zu schnell!“
Udo Becker von „Metternich Hilft“ mahnte, dass man nicht vergessen dürfe, dass weiterhin Hilfe und Unterstützung notwendig sei – trotz anderer Probleme in der Welt: „In den vergangenen Wochen sind lediglich noch 150 Euro an Spenden bei uns eingegangen – es darf keine Flutdemenz geben, die Schäden und Folgen werden uns noch lange herausfordern – von möglichen zukünftigen Ereignissen ganz zu schweigen.“
www.metternichhilft.de
Eifeler Presse Agentur/epa

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

acht − sieben =