So manchen Streit geschlichtet

Franz Nocker aus Urft hat sein Amt als Schiedsmann in Kall  nach 25 Jahren niedergelegt – Im Laufe seiner Amtstätigkeit viele Streithähne erlebt – Nachfolger ist Rolf Schneider aus Golbach

Legt nach 25 Jahren erfolgreicher Arbeit sein Amt als Schiedsmann der Gemeinde Kall nieder: Franz Nocker aus Urft. Foto: Reiner Züll
Legt nach 25 Jahren sein Amt als Schiedsmann der Gemeinde Kall nieder: Franz Nocker aus Urft. Foto: Reiner Züll:

Kall – Streiten lässt sich über alles, aber nicht immer muss der Weg direkt zum Rechtsanwalt und vor Gericht führen. Vor allem die kleinen Reibereien des alltäglichen Lebens sind klassische Fälle für die sogenannten Schiedspersonen. Sie  schlichten statt zu richten und vermitteln zwischen den uneinigen Parteien. Dabei sind sie ganz bewusst juristische Laien, denn sie versuchen, eine Einigung herbeizuführen und den Gang vors Gericht zu ersparen. „Die Parteien haben größtmöglichen Einfluss auf die Gestaltung des Vergleichs, während es bei Gericht immer einen Verlierer gibt“, berichtet Franz Nocker, langjähriger Schiedsmann der Gemeinde Kall. Zudem wären die Gerichte vollends überlastet, wenn jede Kleinigkeit dort verhandelt werden müsste.“
Franz Nocker aus Urft war 25 Jahre lang Schiedsmann der Gemeinde Kall und hat im Rahmen seines Ehrenamtes Vieles erlebt. In seinen Zuständigkeitsbereich fielen zahlreiche Nachbarschaftsstreitigkeiten, kleinere Delikte aus dem Strafrecht, Nachrede, kleinere Handgreiflichkeiten und Geldstreitigkeiten. Zwar muss auch eine Schiedsperson Recht und Gesetze kennen, im Vordergrund sollen aber der gesunde Menschenverstand und die ortsnahe Kenntnis der Verhältnisse stehen. Denn Ziel ist keine rechtsprechende Entscheidung, sondern eine Einigung der jeweiligen Streithähne.
Die Idee des Schiedsamtes ist fast 200 Jahre alt und wurde bereits 1827 vom Königreich Preußen eingeführt. Zu Beginn waren es bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, die in die Zuständigkeit des Schiedsmannes fielen, später wurden ihm auch zusätzliche Aufgaben aus dem Strafrecht übertragen. Das Schiedsamt hat sich bewährt und erfüllt heute eine wichtige Funktion im deutschen Rechtssystem, indem es kostengünstiger und deutlich schneller zivilrechtliche Streitigkeiten durch einen einvernehmlichen Vergleich herbeizuführen hilft. Dieser ist dann rechtsverbindlich und 30 Jahre lang vollstreckbar.
Zwischen Antragstellung und Verhandlung liegen oftmals nur wenige Wochen. Auch die Kosten sind überschaubar und liegen derzeit in etwa zwischen 60 und 100 Euro  pro Verhandlung. Kommt es am Ende nicht zu einer Einigung, erhält die antragstellende Person eine sogenannte Erfolglosigkeitsbescheinigung, mit der der Weg zum Gericht dann nach wie vor offen ist.
Das Schiedsamt ist ein zeitlich begrenztes Ehrenamt. Grundsätzlich werden Ehrenämter unentgeltlich ausgeübt, die Gemeinde Kall gewährt den Schiedspersonen jedoch jährlich eine sogenannte Dienstzimmerentschädigung und für jede Verhandlung fallen kleinere Gebühren an, die der Schiedsperson teilweise zustehen. Darüber hinaus unterstützt die Gemeinde Kall bei der Beschaffung von Arbeitsmaterial und übernimmt die Kosten für Fortbildungen vollständig.  Die Schiedsperson ist zugleich eine juristische Instanz und als solche nicht der Kommune, für die sie tätig ist, sondern dem zuständigen Amtsgericht unterstellt. Auch unterliegt die Schiedsperson der Pflicht der Verschwiegenheit. Aus diesem Grund lässt Nocker sich auch auf Nachfrage nicht zu der ein oder anderen Anekdote hinreißen, obwohl er viel zu erzählen hätte.
Schiedspersonen werden vom Gemeinderat gewählt. Sie sollen nicht jünger als 30 und nicht älter als 70 Jahre sein. Ferner müssen sie die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter haben und im Schiedsamtsbezirk, also in der Gemeinde Kall, wohnen. Verhandlungsgeschick und Interesse am deutschen Recht sind hilfreich. „Und natürlich auch der Wille und die Ausdauer sich streitenden Parteien anzunehmen, um einen für alle Seiten zufriedenstellen Kompromiss zu finden“, ergänzt Nocker.
Ende März endete seine Amtszeit nach 25 Jahren Streitschlichten. Er blickt mit einem lachenden und einem weinenden Auge auf sein langjähriges Ehrenamt zurück, dem er sich mit Leib und Seele verschrieben hat. „Es war nicht immer ganz einfach, mitunter gab es auch harte Brocken“ verkündet er: „Letztlich überwiegt aber der Erfolg und die Freude, eine einvernehmliche Lösung gefunden und Frieden gestiftet zu haben.“
Dabei hatte er seine ganz eigene Methode, die Sache anzugehen. „Ich habe beiden Parteien erst einmal freien Lauf gelassen, so dass sie ihre jeweilige Version schildern konnten, sozusagen Dampf ablassen konnten. Das geschah dann meist auch sehr emotional. Anschließend hatte man oftmals schon eine solide Basis, auf der man an einer Einigung arbeiten konnte“, so Nocker.
Und das scheint sich bewährt zu haben. Insgesamt 99 Fälle verhandelte Franz Nocker in seiner Amtszeit. In weit mehr als der Hälfte dieser Fälle konnte erfolgreich eine Einigung erzielt werden. Gemäß einer Evaluation im Auftrag des Justizministeriums liegt die Erfolgsquote bundesweit bei über 60 Prozent. Damit sind die Schiedsämter die am häufigsten erfolgreich vergleichenden Institutionen. Hinzu kommen die sogenannten „Tür- und Angelfälle“ in nicht unerheblicher Fallzahl. Diese werden bereits im Vorgespräch durch die Schiedsperson erledigt, so dass es erst gar nicht zu einer Verhandlung kommt.
Doch Nocker war nicht nur langjähriger und erfahrener Schiedsmann der Gemeinde Kall. Im Jahr 2020 wurde er für seine Tätigkeit mit der Anstecknadel des Bundes Deutscher Schiedsmänner (BDS) ausgezeichnet. Auch war er 20 Jahre lang Mitglied im Vorstand der Bezirksvereinigung Aachen, wo er die Tätigkeit des Schriftführers und des IT-Beauftragten ausübte. Daneben war er Beisitzer für den Amtsgerichtsbezirk Schleiden. Seit 2012 besaß er die Zertifizierung zum Mediator im BDS, also einem Vermittler, der bei einem Streitschlichtungsverfahren als neutraler Dritter die Verhandlungen unterstützt.
„Die Gemeindeverwaltung bedankt sich bei Franz Nocker für sein langjähriges Engagement und die gute und konstruktive Zusammenarbeit. Wir wünschen Herrn Nocker alles Gute und beste Gesundheit für die weitere Zukunft“, sagte Bürgermeister Hermann-Josef Esser, auch im Namen von Verwaltung und Rat.
Vom Rat der Gemeinde Kall wurden der Golbacher Rolf Schneider zum Schiedsmann und Marc Kuckelkorn aus Kall zu dessen Stellvertreter gewählt. Bürgermeister Esser zeigte sich erfreut, gleich zwei neue Ehrenamtler als Schiedspersonen begrüßen zu dürfen. „Ich wünsche den beiden einen guten Einstieg in diesen verantwortungsvollen und zugleich interessanten Tätigkeitsbereich und natürlich viel Erfolg“, so der Bürgermeister.
Die Wahl von Rolf Schneider und Marc  Kuckelkorn muss noch durch das zuständige Amtsgericht in Gemünd bestätigt werden. Auch die Vereidigung erfolgt durch das Amtsgericht als unmittelbare dienstliche und fachliche Aufsicht. (MK)

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