NEW setzen auf mehr Digitalisierung

Auch Werkstätten für Menschen mit Behinderung profitieren vom digitalen Wandel und sollten daher bei der öffentlichen Förderung nicht vergessen werden – Corona-Pandemie war Startschuss für E-Learning

Bei den NEW beschäftigt man sich derzeit intensiv mit dem Thema Digitalisierung. Tanja Scheuls (links), Geschäftsfeldleitung Bildung und Berufliche Integrationsdienste, stellte der Öffentlichkeit jetzt die Gruppe rund um NEW-Bildungsbegleiter Thomas Lenczyk (rechts) vor. Gemeinsam mit Saeid Ahmad (Mitte) und Sören Kaufmann (2.v.l.) werden zurzeit unterschiedliche Hardwarekomponenten getestet und es wird Fachwissen recherchiert. Bild: Michael Thalken/Eifeler Presse Agentur/epa
Bei den NEW beschäftigt man sich derzeit intensiv mit dem Thema Digitalisierung. Tanja Scheuls (links), Geschäftsfeldleitung Bildung und Berufliche Integrationsdienste, stellte der Öffentlichkeit jetzt die Gruppe rund um NEW-Bildungsbegleiter Thomas Lenczyk (rechts) vor. Gemeinsam mit Saeid Ahmad (Mitte) und Sören Kaufmann (2.v.l.) werden zurzeit unterschiedliche Hardwarekomponenten getestet und es wird Fachwissen recherchiert. Bild: Michael Thalken/Eifeler Presse Agentur/epa

Euskirchen – Der digitale Wandel hat durch die Corona-Krise einen riesigen Aufschwung erfahren. Doch nicht nur Unternehmen, Schulen und Universitäten waren und sind mit neuen Herausforderungen beispielsweise in Sachen „Homeschooling“ konfrontiert, auch die Werkstätten für Menschen mit Behinderung haben über Nacht digitale Strukturen erarbeitet, um die Beschäftigten und Teilnehmer in der Berufsbildungsmaßnahme, die aufgrund des Betretungsverbots zu Hause bleiben mussten, noch zu erreichen und sie nicht sich selbst zu überlassen.

„Bislang haben wir hier überwiegend analog gearbeitet“, berichtet NEW-Bildungsbegleiter Thomas Lenczyk: „Das heißt: wir haben den Beschäftigten Arbeitsunterlagen per Post zugeschickt. Das war aufgrund der Personenbezogenheit und individuellen Zusammenstellung von Material sehr aufwendig, und letztlich lag es in der Verantwortung der Beschäftigten und Teilnehmer, die Unterlagen zu bearbeiten und auch zurückzusenden.“ Eine Lernkontrolle sei so schwer möglich gewesen. Seit der Coronakrise setze man zunehmend auf digitale Technik.

Tanja Scheuls, Geschäftsfeldleitung Bildung und Berufliche Integrationsdienste, berichtet: „Damit unsere Beschäftigten und Teilnehmer weiterhin qualifiziert werden konnten und Teilhabe am Arbeitsleben erfahren, nutzten wir eine Videokonferenz-Software, WhatsApp Business, um DSGVO-konform zu bleiben, und private Facebook-Gruppen, um im direkten Kontakt zu bleiben. Wir erstellten Videos und Lernunterlagen in verschiedenen Leistungsstufen, um zielgruppenorientiertes Lernen zu ermöglichen.“ Vor allem der Erfolg aufgrund einer neu eingesetzten Lern-App, die Lernstoff von der Grundschule bis zum Gymnasium vermittelt, sei so durchschlagend gewesen, dass man jetzt auf jeden Fall den digitalen Weg weitergehen möchte.

„Wir wollen einen Förderantrag stellen, um nicht nur die nötige Hardware einzukaufen, sondern auch Schulungen sowie eine umfangreiche E-Learning-Plattform anbieten zu können“, so Scheuls weiter. So wolle man das E-Learning vorantreiben und Bildungsrahmenpläne zukünftig auch durch Online-Angebote unterstützen. „Dank digitaler Technik sind Binnendifferenzierung, Kompetenzerfassung und Lernerfolgskontrollen wesentlicher rascher und einfacher umzusetzen als im analogen Verfahren“, weiß Scheuls mittlerweile aus eigener Erfahrung.

Um sich optimal auf den digitalen Wandel vorzubereiten, probiert Thomas Lenczyk derzeit gemeinsam mit Teilnehmern unterschiedliche Computermodelle, Laptops und Tabletts aus, um die optimale Hardware für die NEW und ihre Beschäftigten zu finden. „Noch wichtiger als die Hardware ist es allerdings, den Menschen mit Behinderung auch Medienkompetenz zu vermitteln und ihnen die Möglichkeiten des Netzes aufzuzeigen“, so Lenczyk. Hierzu recherchiert Lenczyk in seinem Team auch fachliche Fragen. „Das können ganz einfache Dinge sein, indem wir uns beispielsweise darüber informieren, welche Verpackungsmaschinen es gibt, was für Qualifikationen für welchen Beruf benötigt werden, was man mit Angeboten wie Skype, WhatsApp oder Facebook eigentlich genau machen kann oder was das Darknet ist“, erklärt Lenczyk.

Sören Kaufmann und Saeid Ahmadi, die mit zum Team gehören, sind derzeit dabei, solches Fachwissen aus dem Netz zu recherchieren und dabei gleichzeitig zu erproben, welche Angebote für sie hilfreich sind.

„Ich interessiere mich zum Beispiel für den Beruf des Einzelhandelskaufmanns, mache demnächst im CAP-Markt eine Ausbildung und habe mich im Internet bereits rundum über dieses Berufsfeld informiert“, berichtet Sören Kaufmann und zeigt einen ganzen Stapel Blätter, die er bereits mit Informationen zu seinem Traumberuf beschrieben hat. Früher, so berichtet er, sei er ängstlich gewesen. Doch durch die Arbeit und die Hilfestellung bei den NEW sei er deutlich selbstbewusster geworden und freue sich bereits auf den Kontakt mit den Kunden.

Saeid Ahmadi hingegen interessiert sich mehr für den Bereich Logistik und will daher zum Inklusionsunternehmen EuLog, einem Tochterunternehmen der NEW. „Ohne digitales Grundwissen komme ich da nicht aus. Ich muss ja LKWs ein- und ausladen, Ware kommissionieren und die Lagerplätze irgendwann auch wiederfinden“, erzählt er und lacht. Trotz seines Migrationshintergrunds spricht er schon sehr gut Deutsch und lernt auch hier mit einer entsprechenden App noch täglich dazu. Sein Faible gilt besonders der Tabellenkalkulation, mit der er sich bereits prima auskennt.

Corona hat für die Digitalisierung noch einmal ein anderes Bewusstsein geschaffen, berichtet Tanja Scheuls. „Seither ist uns deutlich geworden, dass wir uns bewegen und am digitalen Wandel dranbleiben müssen.“ Aber man müsse natürlich auch die personellen Ressourcen haben, um die Digitalisierung voranzureiben. Für die Zukunft sehe sie auch die Möglichkeit, mobiles Arbeiten für Teilnehmer anzubieten, um die berufliche Bildung sicherzustellen. So könnten beispielsweise bei einem erneuten Shut-down Teilnehmer leichter und besser von zu Hause aus lernen.

Georg Richerzhagen, Geschäftsführer der NEW, resümiert: „Wir haben zwar vieles in Sachen Digitalisierung in kürzester Zeit umsetzen können, aber auch deutlich gesehen, wo unsere Grenzen liegen.“ Denn so wünschenswert es sei, die digitalen Kommunikationskanäle weiter auszubauen und zu professionalisieren, so sei der finanzielle Spielraum, der dafür zur Verfügung stehe, doch sehr klein. „Wir sind hier dringend auf Förderprogramme des Landes oder des Bundes und auch auf Sponsoren angewiesen, um zukunftsfähige Strukturen zu schaffen, damit unsere Beschäftigten nicht irgendwann digital abgehängt werden“, so Richerzhagen weiter. Denn digitale Techniken, bewusst eingesetzt, seien sehr gut in der Lage, die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am Berufsleben, an Aus- und Weiterbildung sowie am sozialen Leben zu fördern.

Eifeler Presse Agentur/epa

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