Gemeinde Kall zieht erste Bilanz bei der Hochwasserhilfe

22 von 38 Haushalten konnte von der Verwaltung bereits eine neue Wohnmöglichkeit vermittelt werden – Zehn weitere Haushalte dürfen sich schon bald über ein „Tiny House“ freuen – Darüber hinaus wurden zahlreiche Heizlüfter und Ein-Raum-Heizungen gegen die Kälte organisiert – Bürgermeister Hermann-Josef Esser: „Haben bereits viel getan, doch die Notwendigkeit, zu helfen, ist noch lange nicht vorüber“  

Im Büro von Paul Neufeld (sitzend) laufen derzeit die Fäden der Hochwasserhilfe zusammen. Unterstützung erhält er dabei unter anderem von der Auszubildenden Madeline Tümmeler (links). Bürgermeister Hermann-Josef Esser (rechts) lässt sich mehrmals am Tag über die aktuelle Lage informieren. Bild: Michael Thalken/Eifeler Presse Agentur/epa
Im Büro von Paul Neufeld (sitzend) laufen derzeit die Fäden der Hochwasserhilfe zusammen. Unterstützung erhält er dabei unter anderem von der Auszubildenden Madeline Tümmeler (links). Bürgermeister Hermann-Josef Esser (rechts) lässt sich mehrmals am Tag über die aktuelle Lage informieren. Bild: Michael Thalken/Eifeler Presse Agentur/epa

Kall – Die Flutkatastrophe vom 14. auf den 15. Juli hat die Gemeinde Kall vor gewaltige Herausforderungen gestellt. Verwaltungsmitarbeiter und –mitarbeiterinnen sahen sich plötzlich von jetzt auf gleich mit gänzlich neuen Aufgaben konfrontiert. Am Tag nach der Flut galt es zunächst, mit der Schaufel in der Hand das Rathaus-Erdgeschoss vom Schlamm zu befreien, die zerstörten Büros zu räumen und das Archiv zu sichern. Gleichzeitig mussten schon die ersten Hilfsanfragen aus der Bevölkerung beantwortet, eine Notrufnummer eingerichtet und Hilfsangebote angenommen und koordiniert werden. Ein weiterer wesentlicher Bestandteil der Aufgaben in den ersten Tagen nach der Flut war, den Betroffenen bedarfsgerechte Kontakte zu vermitteln.

Ob Kontakte zu Dienstleistern, psychosozialen Beratungsangeboten oder zu sozialen Einrichtungen – das Spektrum war vielfältig, die Not der Flutbetroffenen groß. Zudem wurden Menschen, die ihre Wohnung oder ihr Haus verloren hatten, mit Vermietern in Kontakt gebracht, die zu helfen bereit waren. Darüber hinaus war das normale Tagesgeschäft wieder aufzubauen, und das ohne Internet und Telefon.

Paul Neufeld, der eigentlich bei der Gemeinde Kall als Integrationsbeauftragter tätig ist, war nur einer von vielen Verwaltungsmitarbeitern, die ganz neue Aufgaben bekamen. „Wir mussten zunächst, so schnell wie möglich, Unterkünfte für die Flutgeschädigten finden, die kein Dach mehr über dem Kopf hatten“, berichtete er. Dabei habe man auch Plätze in Asyl- und Obdachlosenunterkünften der Gemeinde belegt. „Geplante Zuweisungen von neuen Asylbewerbern konnten von der Bezirksregierung storniert werden, so dass die freien Plätze für Flutopfer verwendet werden konnten.“

Gemeindeverwaltung kann vielseitig helfen

Um den aktuellen Notstand in Erfahrung zu bringen, habe man daraufhin 623 Haushalten in der Gemeinde, die besonders betroffen waren, einen detaillierten Fragebogen zugeschickt. „Die 367 Rückmeldungen, die wir bekamen, haben uns gezeigt, dass wir an vielen Stellen helfen können“, so Neufeld. „Manche Mitbürger hatten nach wie vor keine Wohnung, waren ohne Strom, Wasser oder Heizung.“ Neben der Vermittlung von Hilfsangeboten aus dem Kreis Euskirchen habe sich die Verwaltung dann vor allem um die Wohnungsuchenden und die Haushalte ohne Heizung gekümmert.

Die beiden Auszubildenden Madeline Tümmeler und Niklas Hoß unterstützten Paul Neufeld. Sie riefen die Betroffenen an, um insbesondere Fragen zur aktuellen Wohnsituation und der Funktionsfähigkeit der Heizungen in den Häusern zu klären.

„Wir hatten zu Beginn unserer Suche nur fünf bis sechs Wohnungsangebote für 38 Haushalte“, erinnerte sich Neufeld. Nicht zuletzt durch einen öffentlichen Aufruf an alle Vermieter, Wohnraum zur Verfügung zu stellen, sei es dann aber gelungen, 22 von 38 Haushalten eine neue Bleibe zu organisieren. „16 Haushalte suchen immer noch nach einer Wohnung, und wir freuen uns über jeden Vermieter, der noch ein Wohnungsangebot für uns hat“, so Neufeld weiter. Die Zahl der Wohnungssuchenden könne auch wieder steigen, da manche Flutopfer derzeit nur bis Ende des Jahres in ihrer Unterkunft bleiben könnten.

„Tiny-Houses“ zur Deckung des Wohnraumbedarfs

„Durch Verwaltungsmitarbeiter Markus Auel sind wir dann auf die so genannten »Tiny Houses« aufmerksam geworden, die bereits im Ahrtal über  »Aktion Deutschland Hilft«, dem Bündnis deutscher Hilfsorganisationen, für Flutopfer zur Verfügung gestellt werden“, berichtete Bürgermeister Hermann-Josef Esser. Seine Mitarbeiter wären dann mit den Verantwortlichen dieses Vereins in Kontakt getreten. „Dabei erfuhren sie, dass gerade zehn dieser Häuser, die eigentlich im Ahrtal aufgebaut werden sollten, dort nicht mehr benötigt wurden. Da haben wir sofort unser Interesse angemeldet“, berichtete Esser, der sich sehr dankbar darüber zeigte, dass diese zehn „Tiny Houses“, mit insgesamt einer Millionen Euro über Mittel von „Aktion Deutschland Hilft“ komplett finanziert werden. Abgewickelt wird der Hausankauf über den Vertragspartner von „Aktion Deutschland Hilft“: der „Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland“. Dabei handelt es sich um den sozialen Dachverband der jüdischen Gemeinden in Deutschland. Bis Weihnachten sollen die kleinen Häuser bereits aufgebaut sein. Die Arbeiten werden überwiegend vom Bauhof übernommen.

„Ein weiteres großes Problem waren die Haushalte, die keine funktionstüchtige Heizung mehr hatten“, berichtete Neufeld weiter. Insgesamt habe man 170 Haushalte ohne funktionsfähige Heizung gezählt, davon 48 Haushalte, die angegeben hatten, dass sie noch in ihrem flutgeschädigten Haus lebten und dass dort auch in drei bis vier Monaten noch nicht mit dem Einbau einer neuen Heizung zu rechnen sei.

Daraufhin erfragten die Auszubildenden den Bedarf an Heizlüftern. Zehn Haushalte hatten Interesse und wurden mit Geräten ausgestattet, die die Gemeindeverwaltung entweder als Spende erhalten oder eigens angemietet hatte.

„Verwaltungsangestellte haben dann zusätzlich Kontakt zum Verein »Die AHRche« im Ahrtal geknüpft. Dieser Verein hat uns Ein-Raum-Heizungen gespendet, damit konnten wir weitere neun Haushalte versorgen“, so Esser. Der Verein habe nicht nur die Geräte, sondern auch deren Einbau finanziert. In allen Haushalten gebe es laut Strombetreiber darüber hinaus wieder Strom. Man stünde nach wie vor in engem Austausch mit Spendenorganisationen und vermittele zwischen diesen Organisationen und den von der Flut stark Betroffenen.

Solidarität und Spendengelder lindern Not der Betroffenen – Bürgermeister Esser: „Sind noch immer mitten in der Krisenbewältigung“

„Wir haben in diesen schweren Tagen unglaublich viel Solidarität aus ganz Deutschland erfahren“, sagte Bürgermeister Esser. „Die Spenden kamen sowohl direkt aus dem Kreis, wie beispielsweise vom Lions Club Euskirchen-Nordeifel oder den Maltesern in Kooperation mit »Aktion Deutschland hilft« und »Aktion Lichtblicke«, von der Caritas, Diakonie und der Kolpingfamilie, als auch aus der Ferne wie beispielsweise dem Flughafenverein München, um nur mal einige wenige dieser ganz unterschiedlichen Spender zu erwähnen.“ Esser betonte, dass die Spendengelder zu 100 Prozent bei den Flutbetroffenen ankommen. „Mit diesen Mitteln ist es uns auch möglich, die Soforthilfe für Privathaushalte aufzustocken und weitere Härtefälle zu bedienen“, ergänzte er.

„Auch wenn wir schon viel geschafft haben, befinden wir uns immer nach wie vor noch in der Krisenbewältigung. Die Notwendigkeit zu helfen ist noch lange nicht vorbei“, zog Hermann-Josef Esser Bilanz. So sei es durchaus möglich, dass sich die Situation bei den Wohnungssuchenden noch einmal verschärfe, wenn etwa Mietverträge ausliefen, Schimmelbelastungen in Wohnobjekten festgestellt würden oder auch Heizgeräte nicht ausreichten, um bei klirrender Winterskälte für genügend Wärme zu sorgen. Auch dann werde man wieder bedarfsorientierte Hilfe anbieten und versuchen, die Betroffenen mit dem Notwendigen auszustatten. „Ich weiß, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Rathaus gerade bis an der Belastungsgrenze arbeiten“, sagte Bürgermeister Hermann-Josef Esser abschließend, „dafür bin ich allen wirklich sehr dankbar. Und ich bin mir sicher, wir werden jetzt alle gemeinsam nicht locker lassen, bis wirklich für jeden, der Hilfe von uns möchte, auch Hilfe gefunden ist.

Eifeler Presse Agentur/epa

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