Ulla Haesens drittes Album „Abre Alas“ ist eine gelungene Hommage an den brasilianischen Bossa Nova
Es gibt leicht zu konsumierende Musik, der sieht man gleich beim ersten Hören die Konstruktion an. Und es gibt Musik, die von so überbordender Komplexität ist, dass sie einem jeden Zugang vermauert. Mit ihrer neuen CD „Abre Alas“ (Öffne die Flügel) ist der Sängerin und Gitarristin Ulla Haesen ein ganz und gar außergewöhnliches Kunstwerk gelungen, das Anmut und Leichtigkeit vermittelt und das dennoch über eine komplexe Tiefenstruktur verfügt, die einem die Titel auf dieser CD bei jedem Hören immer wieder neu und anders erscheinen lassen.
Auf den ersten Blick mag es merkwürdig anmuten, dass eine Deutsch-Finnin, die in der Eifel aufgewachsen ist, brasilianische Musik authentisch zu vermitteln weiß. Aber Ulla Haesens finnische Seite bringt offenbar die nötige Portion Melancholie mit, die man für diese Musik benötigt, und ihre deutsche Seite das ausgeprägte Formgefühl. Woher die Leichtigkeit kommt, mit der sie musiziert, das bleibt jedoch wohl ihr persönliches Geheimnis.
„Abre Alas“ ist eine Hommage an die brasilianische Musik und an ihre großen Komponisten wie Joyce Moreno, Carlos Lyra und natürlich Ivan Lins, von dem auch das Titelstück stammt. Das Album hat ausgesprochenen Suchtcharakter und bietet die richtige Musik, um genüsslich vom Frühling Richtung Sommer zu gleiten.
Empfindung, Harmonie und Rhythmus haben sich in Ulla Haesens Interpretationen der brasilianischen Stücke zu einem neuen musikalischen Ganzen verbunden, das eine ganz eigene und eigentümliche Stimmung und eindrückliche Wirkung erzeugt und dennoch ganz unaufgeregt daherkommt.
Das liegt neben der ungekünstelten Gesangsstimme von Ulla Haesen und ihrem behutsamen Gitarrenspiel natürlich nicht zuletzt an den ebenso hochkarätigen Musikern, die sie bei der Einspielung dieser CD begleitet haben. Der Latin-Perkussionist Jorge Brasil, der zur Stammbesetzung des Ulla-Haesen-Quartetts gehört, überrascht nicht nur am eher unbekannten Instrument Berimbau, einem gebogenen Holzstock mit einer Metall-Saite und einem Flaschenkürbis als Resonanzkörper, sondern er beherrscht darüber hinaus die unterschiedlichsten brasilianischen Rhythmus-Instrumente äußerst versiert.
Feinfühlig und glasklar klingt dazu das Jazz-Gitarrenspiel von Lorenzo Petrocca, ebenfalls festes Mitglied des Quartetts, das vom Bassisten Wilhelm Geschwind komplettiert wird. Geschwind hat sich vor allem einen Namen für sein ungewöhnliches Spiel am eigens für ihn entwickelten Instrument – dem „Piccolo Double Bass“ – gemacht, das er mit perkussiven Elementen bereichert. Weiterhin haben eine Reihe von Studiomusikern zum Gelingen des Albums beigetragen. Herausragend vor allem Luciano Biondini am Akkordeon und Max de Aloe an der chromatischen Mundharmonika.
Nicht zuletzt muss die brillante Klangqualität des Albums erwähnt werden, für die Klaus Genuit vom Hansahaus Studio Bonn verantwortlich zeichnet. Einziger Wermutstropfen: Es gibt kein Text-Booklet. Aber den Inhalt der Lieder lässt man sich ohnehin am besten von Ulla Haesen persönlich auf einem ihrer vielen Konzerte erklären.
Eifeler Presse Agentur/epa