Eine Ausstellung im Kreishaus Euskirchen thematisiert die Geschichte einer jüdischen Familie, die sich im 18. Jahrhundert in Zülpich niederließ, und von der die meisten Mitglieder im Nationalsozialismus deportiert und ermordet wurden
Euskirchen – Es waren bewegende Momente im Euskirchener Kreishaus, als die 79-jährige Carla Cahn an die dramatischen Tage ihrer Kindheit in den Niederlanden erinnerte – an die von den Nationalsozialisten als „Arbeitseinsatz im Osten“ getarnte Deportation ihrer Familie, an die Todesängste bei der Flucht und im Versteck. Oder als Anita Liebmann, eigens aus New York angereist, die Frage stellte: „Wie wäre es gewesen, eine Großmutter zu haben? Wie wäre es, wenn ich heute Cousinen und Cousins hätte? Was geschah mit meiner Großmutter Anna und meinem Onkel Heinz, nachdem sie 1939 über Berlin nach Polen abgeschoben wurden?“
Anita Liebmann und Carla Cahn sind Angehörige der jüdischen Familie Klaber, einer „normalen“ deutschen Familie, die im Kaiserreich und der Weimarer Republik bestens etabliert war. Doch mit der Machtübernahme der Nazis änderte sich für die Juden und damit auch für die Klabers alles. Die meisten Mitglieder der Familie wurden deportiert und ermordet, nur wenige überlebten. Mit dem Schicksal dieser Familie beschäftigt sich die Ausstellung „Die Klabers – Geschichte einer jüdischen Familie aus dem Rheinland“ der Gedenkstätte Bonn, die jetzt im Euskirchener Kreishaus eröffnet wurde.
Für die Gedenkstätte Bonn, den Kreisgeschichtsverein und den Kreis Euskirchen war es eine besondere Ehre, dass mit Anita Liebmann aus den USA sowie Carla Cahn und Harry Swalef aus den Niederlanden und Belgien drei Mitglieder der Klaber-Familie den Weg nach Euskirchen gefunden hatten, um der Ausstellungseröffnung beizuwohnen. Begrüßt wurden sie von Markus Ramers, dem stellvertretenden Landrat. Er zeigte sich erfreut, dass gleich mehrere Schulklassen und -kurse ins Kreishaus gekommen waren: „Das Thema Nationalsozialismus und die Verfolgung der Juden stoßen immer noch auf großes Interesse und auch auf spürbare Betroffenheit. Auch wenn der Zweite Weltkrieg und der Völkermord an den Juden jetzt schon über 70 Jahre her sind – die unfassbaren Gräueltaten sind nicht vergessen.“ Markus Ramers: „Unmittelbar vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten lebten im Altkreis Euskirchen 653 Juden, 1941 waren es nur noch 271, Ende 1944 niemand mehr. Niemand!“ Gerade in Zeiten, in denen bestimmte Politiker des Bundestages eine 180-Grad-Wende in der Erinnerungskultur fordern oder das Mahnmal in Berlin als Schande empfinden, seien solche Ausstellungen wichtiger denn je.
Die Ausstellung thematisiert die Geschichte der jüdischen Familie Klaber, die sich im 18. Jahrhundert in Zülpich niederließ. Zwei Generationen später waren die Mitglieder von Moses Klabers großer Familie in verschiedenen Leitberufen des Landjudentums etabliert. Im Kaiserreich waren sie nunmehr rechtlich gleichgestellt. Als überzeugte deutsche Bürger dienten sie als Soldaten im Ersten Weltkrieg. Einige erlangten bescheidenen Wohlstand, bevor sie unter der NS-Herrschaft ihrer bürgerlichen Rechte beraubt, ausgegrenzt und verfolgt wurden. Die meisten Mitglieder der Familie Klaber wurden deportiert und ermordet, nur wenige überlebten.
Die Protagonistin der Ausstellung ist Margot Epstein, geboren und aufgewachsen in Bonn. Sie hat bei ihrer Flucht 1939 nach Großbritannien und weiter in die USA viele persönliche Fotos der Familie retten können. Die Ausstellung erzählt anhand dieser Fotos und persönlicher Dokumente die Geschichte der Klabers in der Eifel, im Rheinland und in der ganzen Welt. Die eigens aus New York nach Euskirchen angereiste Anita Liebmann ist Margot Epsteins Tochter.
Sowohl Anita Liebmann wie auch ihre Großcousine Carla Cahn gaben im Kreishaus in bewegenden Worten sehr persönliche Einblicke in ihre Familiengeschichte, bevor Astrid Mehmel, die Leiterin der Gedenkstätte Bonn, Hintergründe zur Ausstellung erläuterte. Ein besonderer Dank galt der „e-regio“ aus Kuchenheim, die die Ausstellung in großzügiger Weise unterstützt hat. Im Anschluss sang Barry Mehler, dessen Familie aus Großbüllesheim stammt und der jetzt in den Niederlanden lebt, ein jüdisches Totengebet, in das am Ende Anita Liebmann einstimmte.
Die Ausstellung kann noch bis zum 8. Dezember im Foyer des Kreishauses Euskirchen während der normalen Öffnungszeiten (montags bis donnerstags von 8.30 bis 15.30 Uhr und freitags von 8.30 bis 12.30 Uhr) besichtigt werden. Führungen für Schulklassen und andere Interessierte gibt es donnerstags um 11 Uhr und nach Vereinbarung. Eine Anmeldung ist erforderlich unter 0228/695240 oder unter gedenkstaette-bonn@netcologne.de (eB)