Buchbesprechung: „SPRACH-LOS“ von Andreas Züll

Nach einem kurzen Ausflug ins dramatische Fach hat sich der Autor Andreas Züll wieder seiner eigentlichen Passion gewidmet, der Lyrik und der kleineren Erzählung. In seiner aktuellen Publikation „SPRACH-LOS“ thematisiert Züll bereits in der Schreibart des Titels die Zwiespältigkeit des modernen Dichters, nämlich zum einen im Namen des Fortschritts in einer mehr und mehr sprachlosen Welt leben zu müssen, die im Mitteilen von Statements, Kommentaren, Meinungen, Ansichten und anderen instrumentalisierten Sprachgebräuchen („babel an ebenen / längst in den schatten gestellt“) Genüge findet, zum anderen aber ein Mensch zu sein, auf den das „Sprach-Los“ gefallen ist und der es daher als seine Aufgabe betrachtet, in der intensiven Auseinandersetzung mit der Sprache ihre Bedeutungsmöglichkeiten jenseits ihres bloß zeichenhaften Gebrauchs wieder sinnfällig zu machen.

Ungekünstelt und in den besten seiner Gedichte einzig am Wort orientiert, entwirft Züll neue Sprachräume, die sich allerdings zuweilen einem raschen Zutritt über das konventionelle Verstehen verschließen. Bei vielen seiner Gedichte muss man sich auf die Erkenntnis gefasst machen, dass man in diesen neuen Sprachräumen zunächst einmal kaum etwas erkennt. Denn die Gedichte Zülls sind keine rasch konsumierbaren Nachrichtentexte, die auf ein außerhalb von ihnen Gegebenes verweisen möchten, sondern sie verweisen überwiegend auf sich selbst. Das macht es dem Leser, der Tag für Tag in den Medien und sozialen Netzwerken primär dem referenziellen Charakter von Sprache ausgesetzt ist, oft schwer, sich in ihnen zurecht zu finden. Aber das Empfinden der eigenen Orientierungslosigkeit darf man dabei durchaus mit unter die Absichten des Autors rechnen. Wenn dem Leser quasi deutlich wird, wie sprachbewusstlos er bereits aufgrund der pausenlosen Berieselung durch instrumentalisierte Sprache geworden ist, dann hätten Zülls Gedichte schon sehr viel erreicht.

Nicht immer konzentriert sich der Autor jedoch ganz und gar auf die Sprachlichkeit seiner Gedichte. Manchmal setzt er lieber auf seine Intention als Sprecher, des homo politicus, der gesellschaftliche Veränderungen bewirken möchte und der die Tätigkeit des Schriftstellers in schlechten Momenten ähnlich sinnlos empfindet, als ob man Salz in die See streuen würde. Diese Gedichte Zülls sind dem kommunen Verständnis deutlich zugänglicher, doch seine eigentliche Qualität liegt dort, wo er sich selbst als Sprecher zurücknimmt und den Intentionen der Sprache folgt. Denn einzig in diesen Momenten wird Gesellschaftskritik nicht nur als überstrukturierte Meinung an den Leser vermittelt, sondern sie offenbart sich als essentielle, indem sie einer ganzen (Sprach)Gesellschaft ihr verkehrtes, weil degeneriertes (Sprach)Bewusstsein vorhält.

„wahr spricht / wer spricht, was sie hören wollen“ heißt es in einem seiner Gedichte. Verse, die vor allem das degenerierte Bewusstsein der Zeitgenossen anklagen, welches im täglichen Gerede nichts Neues und Bedeutendes mehr erwartet, sondern einzig und allein die Phrase, die es schon kennt und daher für wahr hält.

Dem gegenüber stellt Züll die Lyrik als den eigentlichen Ausdruck wahrheitsstiftender Sprache: „die dogmen / einer friedlichen vergangen- / heit im hinterkopf / reicht dem pazifisten / für die zukunft schon / die metapher“. Hier thematisiert Züll den Widerspruch zwischen einer dogmatischen, den Frieden lediglich gebetsmühlenhaft fordernden Sprache, die primär die Sprache des politischen Alltags ist, und einer Sprache, die sich als Lyrik ihrer Bildhaftigkeit und damit Vieldeutigkeit bewusst wird. Letztere verweist nicht auf Frieden als ein zu erreichendes Ziel, sondern sie schafft diesen Frieden selbst in der Art ihres Sprechens, da sich dieses Sprechen als sprachbewusste metaphorische Rede für keinerlei Zwecke mehr instrumentalisieren lässt. Frieden ist denn auch eines der Hauptthemen in Zülls Lyrik, ein Frieden, der sich immer wieder aufs Neue sprachlich verwirklichen muss, um auf Dauer Bestand zu haben.

Wie bereits erwähnt, hat Andreas Züll seinem neuen Buch auch einige Prosatexte mitgegeben. Auch für diese Texte gilt, dass sich der Autor darin sehr vorsichtig, von Wort zu Wort tastend bewegt. In „Deutschstunde“ beispielsweise berichtet er von seinem Auftrag, als Deutschlehrer 25 Flüchtlingen die deutsche Sprache beizubringen und sie durch die Prüfung zu begleiten. Dieser Text ist einer der ehrlichsten, der bislang über das Thema „Flüchtlinge“ geschrieben wurde, denn der Autor lässt die ganze Absurdität mancher Fragestellung, die derzeit die Medien beherrscht, deutlich werden, indem er sich seinem Thema weder politisch, noch ideologisch oder gar religiös, sondern einfach nur sprachlich und damit menschlich nähert.

Über den Autor:

Andreas Züll (*1984 in Schleiden/Nordeifel) ist seit 2001 überwiegend als Lyriker schriftstellerisch tätig gewesen. Zuletzt erschienen ist 2012 sein Drama „Judenkind“, Uraufführung 2014 am Geschwister-Scholl-Gymnasium in Daun. Im bürgerlichen Leben Studium der Geschichtswissenschaft und Germanistik an der Universität Trier, abgeschlossen 2015 mit dem Master of Education und dem Master of Arts. Züll ist u.a. Mitglied des Freien Deutschen Autorenverbandes (FDA).

Andreas Züll: SPRACH-LOS. Gedichte und Erzählungen. Aachen: Shaker-Media, 2018. 200 Seiten. ISBN: 978-3-95631-621-5. 14,90 Euro

Eifeler Presse Agentur/epa

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