Über 100 ehrenamtlich tätige Bürgerinnen und Bürger kamen zum Dankeschön-Abend der Gemeinde Weilerswist – Moderator und Sparkassenchef Udo Becker interviewte den „Vernicher Jung“ und FC-Bayern-Club-Sekretär Benny Folkmann zu Jugendarbeit und Engagement
Weilerswist – „Ehrenamt verdient Aufmerksamkeit und Anerkennung“, betonte Anna-Katharina Horst, Bürgermeisterin Gemeinde Weilerswist, am vergangenen Freitag im Forum der Weilerswister Gesamtschule. Und beides sollten die über 100 ehrenamtlich tätigen Bürgerinnen und Bürger, die zu dem Abend unter dem Motto „Ohne Ehrenamt wär‘ hier nichts los“ gekommen waren, auch bekommen. In einem fast zweistündigen Programm drehte sich alles um die Tätigkeit, die zwar unbezahlt, aber auch unbezahlbar ist, wie der Vorsitzende des Ausschusses für Bildung, Jugend und Soziales im Weilerswister Gemeinderat Bernd Giesen anmerkte.
Denn zahlreiche Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde würden ungezählte Stunden in sämtlichen Bereichen des Zusammenlebens investieren, so Giesen, ob im Flüchtlingscafé oder im Sportverein, Ehrenamt sei „sozialer Kit“, der die Gemeinschaft zusammenhalte. Wie das in der Praxis aussieht und sich anhört, zeigten zwei Gruppen aus dem Gemeindegebiet. Der Metternicher Frauenchor „Femmes Vocales“ unter der Leitung von Ursula Papon sorgte für die musikalische Umrahmung von „Que Sera Sera“ bis „Hallelujah“, während die Tanzgarde „Schiff Ahoi“ aus Vernich mit dem Tanzpaar Carina Brück und Niklas Molitor das Publikum zu wahren Begeisterungsstürmen antrieben.
Begeistern konnte auch der Moderator des Abends, den Giesen als „humorvoll und eloquent“ ankündigte und als einen Mann, der in der Region bekannt sei, Gutes zu tun: Denn Udo Becker sei nicht nur Vorstandsvorsitzender der Kreissparkasse Euskirchen, sondern auch „Metternicher Jung“, Moderator des Metternicher Spaß-Triathlons „Metterman“ und verteile über die Stiftungen der Kreissparkasse viel Geld für Vereine und Organisationen. Dass Bernd Giesen nicht zu viel versprochen hatte, bewies Udo Becker gleich zu Beginn der Veranstaltung, als er eine minutenlange Unterbrechung so gekonnt mit selbstironischer Improvisation über die Möglichkeiten eines Moderators überbrückte, dass das Publikum dieses Intermezzo mit tosendem Applaus honorierte. Becker präsentierte beeindruckende Zahlen: So seien in NRW sechs Millionen Menschen ehrenamtlich tätig, 95 Prozent von ihnen gäben als Grund für ihre Motivation Freude an der Tätigkeit für andere an.
Mit Benjamin „Benny“ Folkmann begrüßte Udo Becker einen echten „Vernicher Jung“ zum Interview. Über den Fußball, zuerst als Spieler, später als Schiedsrichter, kam der heutige Jurist zum Ehrenamt und ist mittlerweile im Vorstand der Deutschen Sportjugend. Dem Fußball ist er treu geblieben, mit dem Herzen in Vernich, mit dem Job allerdings beim FC Bayern München – als Club-Sekretär.
Für seinen ehrenamtlichen Einsatz gerade für die Jugend und gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit ist Folkmann mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet worden, sagte aber: „Es ist egal, ob man sich lokal oder international ehrenamtlich einsetzt – wichtig ist nur, dass man etwas bewegt!“ Um die Jugend für ehrenamtliche Vereinsarbeit zu begeistern, sei es wichtig, den jungen Leuten auf Augenhöhe zu begegnen, ihnen etwas zuzutrauen, Verantwortung abzugeben und sie bei Fehlern nicht herunterzuputzen, sondern Unterstützung anzubieten. Folkmann: „Die Vereine sollten auch überprüfen, ob ihre Strukturen noch zeitgemäß sind. Für einen jungen Menschen ist ein Wahlamt von vier oder fünf Jahren in unserer schnelllebigen Zeit ein sehr langer Zeitraum. Es kann sinnvoll sein, stattdessen fest umrissene Projekte mit einem überschaubaren Zeitrahmen anzubieten und so auf weitere Tätigkeiten vorzubereiten.“
Von dem Vorurteil, dass die Jugend heutzutage für nichts mehr zu begeistern sei, hält er gar nichts: „Wie engagiert die sind, kann man an der »Fridays for Future«-Bewegung sehen – egal, was man davon hält.“ Entgegen zahlreicher Verunglimpfungen als „Schulschwänzer“ fanden die bislang größten Veranstaltungen der jungen Klimaaktivisten tatsächlich in den Ferien statt.
In seiner ehrenamtlichen Tätigkeit habe er gelernt, dass man bei seinen Ideen immer dranbleiben müsse – halbherzig bedeute oft, dass die Sache im Sande verliefe. „Deshalb muss man sich vorher überlegen, wie viel Energie und Zeit man da hineinstecken will“, so Benny Folkmann. Dabei Beruf, Aus- oder Weiterbildung, Familie und Ehrenamt unter einen Hut zu bringen, erfordere oft ein „brutales Zeitmanagement“. Deshalb müsse es im Ehrenamt auch erlaubt sein, einmal „Nein“ zu sagen oder sich eine Pause zu gönnen.
Insgesamt wünscht er sich, dass Politik das Ehrenamt stärker fördert – eine Ehrenamtspauschale von 60 Euro im Monat sei bei dem, was viele an Stunden und Qualität leisteten, einfach nicht angemessen. In Weilerswist bewiesen Giesen und Horst, dass sie das Ehrenamt fördern wollen. Giesen hatte den Dankeschön-Abend mit nachfolgendem geselligen Beisammensein organisiert, Bürgermeisterin Horst zeichnete persönlich zahlreiche ehrenamtlich tätige Bürgerinnen und Bürger für ihr Engagement aus, verlieh Ehrennadeln und verteilte Ehrenamtskarten, die bei Kooperationspartnern Sonderkonditionen ermöglichen.
Unter den Geehrten war auch Winfried Lagier – seit 1970 mimt er Jahr für Jahr in Lommersum und Weilerswist den Sankt Martin. Aber auch Wahlhelfer, die mindesten fünf Mal einen Sonntag vor den Wahlurnen geopfert hatten, zeichnete Horst aus. Becker schloss die Veranstaltung mit den Worten: „Ohne Ehrenamt keine Demokratie!“