Kleine Eifelgemeinde setzt großes Zeichen für Toleranz und gegen Antisemitismus – Heimatverein Uedelhoven pflanzt „Anne-Frank-Baum“ und erstellt Denkmal für das deutsch-jüdische Mädchen, das mit 15 Jahren aufgrund der Haftbedingungen in den Konzentrationslagern starb – Kreissparkasse Euskirchen finanzierte maßgeblich die Umsetzung durch ortsansässige Künstler
Blankenheim-Uedelhoven – Klare Worte sprach Manfred Poth, Integrationsbeauftragter Kreis Euskirchen und Allgemeiner Vertreter des Landrats, bei der feierlichen Einweihung von Denkmal und Baum zu Ehren des deutsch-jüdischen Holocaust-Opfers Anne Frank: „Die Entwicklungen in jüngster Zeit haben uns zu denken gegeben aufgrund von Wahlergebnissen und Gewalttaten. Auch im Kreis Euskirchen gibt es rechtsradikale Schmierereien, Aufkleber und Übergriffe. Wir sind alle in der Verantwortung, dass Rechtspopulisten nicht die Oberhand gewinnen. Wir dürfen den Feinden der Demokratie auf keinen Fall unsere Angst schenken. Zeigen wir Haltung und treten für Gleichberechtigung und Würde der Menschen ein!“
Die Gemeinde Blankenheim-Uedelhoven habe mit Denkmal und Baum ein starkes Zeichen gesetzt. Heimatverein, Junggesellen, Musikverein, weitere Bürgerinnen und Bürger hätten sich gemeinsam in den Dienst der wichtigen Sache gestellt. Poth erinnerte an die Geschichte von Anne Frank, deren Tagebuch dem Schicksal von Juden im Holocaust ein Gesicht gibt. Geboren 1929 in Frankfurt, musste die Deutsch-Jüdin zusammen mit ihrer Familie aufgrund der wachsenden Repressalien gegen Juden aus Deutschland nach Amsterdam fliehen. Nachdem die Nazis 1939 auch die Niederlande überfielen, zog sich die Familie Frank in ein Versteck zurück. In dieser Zeit fing sie an, ihr weltberühmtes Tagebuch zu schreiben. Kurz vor Kriegsende, im Februar 1945, starb Anne Frank an den Folgen der unmenschlichen Haftbedingungen in den Konzentrationslagern Auschwitz und Bergen-Belsen.
Markus Ramers, Kuratoriumsvorsitzender der Bürgerstiftung der Kreissparkasse Euskirchen, die das Denkmal maßgeblich finanziert hat, sagte: „Ich kann dieses Tagebuch nur jedem ans Herz legen. Es ist sehr berührend, wie ein junges Mädchen von ihren Hoffnungen spricht – auch wenn ihre Träume und Ziele von einem barbarischen Regime genommen wurden.“ Als Geschichtslehrer werde er immer wieder gefragt, wie so etwas wie die Terrorherrschaft der Nazis geschehen konnte: „Es gibt Täter. Aber es gibt auch Menschen, die weggeschaut haben, die sich nicht betroffen gefühlt haben.“ Er mahnte, dass die Rechten in den letzten freien Wahlen der Weimarer Republik 1932 gerade einmal 33 Prozent bekommen hatten: „Nicht etwa 60 Prozent, nur gut 30. Ich kann nur hoffen, dass die Menschen daraus gelernt haben und nicht wegschauen.“
Rolf Hartmann, Bürgermeister Blankenheim: „Anne Frank wusste bereits als junger Mensch von den Verbrechen der Nazis, von denen Deutsche in Freiheit angeblich nichts gewusst haben.“ Er sei schockiert über die Gleichgültigkeit der Menschen, die ungerührt gegenüber den Schicksalen anderer sind – etwa der tausenden im Mittelmeer ertrunkenen Geflüchteten. Hartmann: „Was ist, wenn eines Tages ein Tagebuch eines afrikanischen Mädchens gefunden wird, das ertrunken ist.“
Der Ortsvorsteher von Uedelhoven, Thomas Pick, sprach nicht nur seine Anerkennung für die vielen an der Umsetzung des Denkmals Beteiligten aus Udelhoven aus. „Die Teilnahme etwa des Junggesellenvereins ist auch eine Mahnung, dass wir wachsam sein müssen.“ Das gelte nicht nur in Sachen rechte Verführer, sondern auch ganz konkret beim Schutz des Denkmals gegen Vandalismus. Den musikalischen Rahmen übernahmen die Uedelhovener Dorfmusikanten, unter anderem mit dem Lied „Ich bete an die Macht der Liebe“, zusätzlich spielte der katholische Priester Michael Brandauer jüdische Klezmer-Musik auf der Geige. Zusammen mit seinem evangelischen Glaubensbruder Pastor Christoph Cäsar und dem jüdischen Verleger Roman Kovar spendeten sie den Segen des einen, gemeinsamen Gottes nach katholischem, evangelischen und jüdischem Ritus, nachdem Markus Ramers zusammen mit Daniel Stein als Vertreter des Heimatvereins Uedelhoven das Denkmal enthüllt hatten. Geistiger Vater der Aktion ist Erwin Stein.
Roman Kovar war sichtlich berührt über die vielen Gäste und die eindeutige Haltung gegen Antisemitismus und für Toleranz, die viele männliche Teilnehmer auch durch das Tragen einer jüdischen Kippa zum Ausdruck brachten. Er berichtete, dass in seiner Wahlheimat Hennef die Synagoge nicht am 9. November 1938 brannte, denn die Hennefer hätten sich gegen die Zerstörung des Gottesdienst- und Gemeindehauses gewehrt: „Am 10. November kam aber ein SS-Mann mit einem Benzinkanister und brannte die Synagoge nieder.“ Pfarrer Cäsar erinnerte daran, dass Polizei und Feuerwehr bei den Novemberpogromen nicht eingeschritten hatten: „Es zogen sogar Martinszüge an den brennenden Häusern vorbei.“
Roman Kovar war als junger Mann von seiner Mutter gewarnt worden, sich in Deutschland offen zu seiner Religion zu bekennen und einer jüdischen Gemeinde beizutreten. „Sie hat gesagt, die Deutschen werden das wieder tun“, berichtete der Jurist, der als Lehrer in Bayern auch durch staatliche Instanzen Antisemitismus erfahren habe. Kovar: „Ich bin bewegt, was diese Gemeinde geschaffen hat. Anne Frank ist gestorben, weil sie Jüdin war. Hier wird sie geehrt, weil sie Jüdin war.“
Der Uedelhovener Künstler Dietmar Hofmann hatte das Denkmal zu Ehren von Anne Frank entworfen. Zusammen mit allen Anwesenden ließ er das Werk, das entfernt an einen Satelliten erinnert, symbolisch Energie tanken und sich auf in den Himmel machen, damit es seine Botschaft überall hin aussenden könne. Erwin Stein über den gepflanzten Baum: „Es handelt sich um einen Ableger aus einer weißen Rosskastanie, die Anne Frank aus ihrem Versteck im Hinterhaus in Amsterdam sehen konnte.“ Der Heimatverein will weitere Aktionen und Reisen wie in der Vergangenheit zum Anne-Frank-Haus in Amsterdam veranstalten.