Seit 1920 wird in Rinnen Theater gespielt

Von Reiner Züll Der Theaterverein Rinnen besteht seit mehr als 100 Jahren – Frauen durften erst ab 1961 Mitglied werden – Jedes Jahr geht es mit einem neuen Stück auf Tournee – Vorsitzender Bellgardt: „Nach dem Krieg die Kulissen mit dem Traktor zum Gastspiel nach Konzen gekarrt“ – Am 23. September großer Festabend zum verspäteten Jubiläum „100 plus 3“    

Das Gründerfoto des Theatervereins "Einigkeit" 1920 im damaligen Gasthaus Winter in Rinnen. "Ohne Fahne kein Verein" lautet damals schon die Devise, und so wurde zur Gründung auch die Fahne mit der Aufschrift "Durch Kampf zum Sieg" präsentiert. Repro: Reiner Züll
Das Gründerfoto des Theatervereins „Einigkeit“ 1920 im damaligen Gasthaus Winter in Rinnen. „Ohne Fahne kein Verein“ lautet damals schon die Devise, und so wurde zur Gründung auch die Fahne mit der Aufschrift „Durch Kampf zum Sieg“ präsentiert. Repro: Reiner Züll

 Kall-Rinnen – Schon seit 1920 wird in dem 350-Seelen-Ort Rinnen Theater gespielt. Und die Tradition, dass der Theaterverein „Einigkeit“ jedes Jahr ein neues Stück aufführt, hat sich bis auf den heutigen Tag fortgesetzt. Jetzt wird das 100jährige Bestehen – mit drei Jahren Verspätung – mit einem Theaterstück gefeiert, dessen Titel die Laienschauspieler noch geheim halten. Am Samstag, 23. September, wird das Geheimnis gelüftet. Dann, so Vorsitzender Andreas Bellgardt, holt der Verein seine 100-Jahr-Feier nach, die wegen Corona-Pandemie und Flutkatastrophe nicht stattfinden konnte.

Magister Karl Schulz etablierte noch vor dem Zweiten Weltkrieg eine Theater-Kinderabteilung. Er studierte 1937 erstmals ein Weihnachtsstück mit dem Schauspieler Nachwuchs ein. Repro: Reiner Züll
Magister Karl Schulz etablierte noch vor dem Zweiten Weltkrieg eine Theater-Kinderabteilung. Er studierte 1937 erstmals ein Weihnachtsstück mit dem Nachwuchs ein. Repro: Reiner Züll

Derzeit stecken Vorsitzender Andreas Bellgardt und Geschäftsführer René Koder mit ihrem Orga-Team in den Vorbereitungen für das große Fest. „Es soll ein Abend voller Überraschungen werden“, kündigt Andreas Bellgardt an. Schwierig sei es allerdings, die Anfangsjahre des Vereins zurückzuverfolgen, weil viele Unterlagen im Zweiten Weltkrieg vernichtet worden seien. Dennoch ist der Verein im Besitz von einigen Fotos aus der Gründerzeit.

Das älteste Foto stammt aus dem Jahr 1906. Es zeigt eine Gruppe fröhlicher Menschen, die in der damaligen Sistiger Gaststätte Pütz den Geburtstag des Kaisers feiern. Mit dabei auch Maria Pütz, Josef Hack und Johann Pütz aus Rinnen. Nachts auf dem Fußweg heim nach Rinnen beschlossen die Drei, einen Körperertüchtigungsverein oder besser noch einen Theaterverein zu gründen.

Nach diesem Treffen im Sistiger Saal Pütz anlässlich des Kaiser-Geburtstages 1906 wurde auf dem Heimweg nach Rinnen die Idee zur Gründung eines Theatervereins geboren. Es dauerte durch den ersten Weltkrieg dennoch 14 Jahre, ehe es zur Gründung des heutigen Vereins im Jahr 1920 kam. Repro: Reiner Züll
Nach diesem Treffen im Sistiger Saal Pütz anlässlich des Kaiser-Geburtstages 1906 wurde auf dem Heimweg nach Rinnen die Idee zur Gründung eines Theatervereins geboren. Es dauerte durch den ersten Weltkrieg dennoch 14 Jahre, ehe es zur Gründung des heutigen Vereins im Jahr 1920 kam. Repro: Reiner Züll

Jahre vergingen und schließlich kam der Krieg. Doch die Idee wurde nicht aus den Augen verloren. Und so kam es zwei Jahre nach Kriegsende zusammen mit den Fußballern des Dorfes zu der Gründung des Vereins „Einigkeit“, in dem sowohl Körperertüchtigung als auch Theaterspielen stattfand. Gründungsort war damals das Gasthaus Winter, die über einen Saal verfügte, wo Aufführungen stattfinden konnten.

Väter der Gründung waren unter anderem Heinrich May („May Hein“), Peter Mäder, Wilhelm Sons, Heinrich Winter, Josef Becker („Beckisch Joan“), Hermann Fink, Bernhard Sauerbier, Josef Pütz („Ohm Jupp“), Paul, Stefan und Gastwirt Johann Winter, Johann Bouhs und Josef Pütz („Trenge Jupp“).  Getreu dem Motto „Ohne Fahne kein Verein“, wurde schon bei der Gründung die Vereinsfahne mit der Aufschrift „Durch Kampf zum Sieg“ präsentiert. Sechs Jahre später war es dann aber mit der Einigkeit von Fußballern und Laienschauspielern vorbei. Die Fußballer trennten sich vom Theaterverein und gründeten einen eigenen Verein, den heutigen „Sportverein Rinnen 1926“.

Spurensuche im Vereins- und Fotoarchiv. Vorsitzender Andreas Bellgardt (links) und Geschäftsführer René Koder bei der Vorbereitung das 100+3 Jubiläums, das infolge der Corona-Pandemie am Samstag, 23. September, mit dreijähriger Verspätung gefeiert wird. Foto: Reiner Züll
Spurensuche im Vereins- und Fotoarchiv. Vorsitzender Andreas Bellgardt (links) und Geschäftsführer René Koder bei der Vorbereitung das 100-Jährigen, das infolge der Corona-Pandemie am Samstag, 23. September, mit dreijähriger Verspätung gefeiert wird. Foto: Reiner Züll

Schon 1937 begeisterte der damalige Magister (Lehrer) Karl Schulz Kinder zum Theaterspiel, die vor Weihnachten erstmals ein Weihnachtsstück auf die Bühne brachten. Bis 1938 standen ausschließlich Dramen und Heimatstücke auf dem Spielplan des Theatervereins. Während es Krieges von 1939 bis 1945 ruhte die Vereinsarbeit ganz. Viele Mitglieder mussten in den Krieg, der große Lücken in die Reihen der Theaterfreunde riss. Erst 1947 wurde das Theaterspiel auf Initiative von Josef Sons wieder aufgenommen. Erste Aufführung war 1948 das Schmuggler-Stück „Abseits der Straße“, das sogar im einstigen Schmuggler-Epizentrum Konzen nahe der belgischen Grenze aufgeführt wurde. Dort gibt es heute noch den Wanderweg „Schmuggel-Päddche“.

Die Kulissen, so berichtete Vorsitzender Andreas Bellgardt, wurden damals mit dem Traktor nach Konzen geschafft, was fast einer Tagesreise gleichgekommen sei. Auch wenn schon Frauen damals mitspielen durften, der Beitritt als offizielle Mitglieder des Vereins blieb ihnen verwehrt. So auch bei der Aufführung des „Freischütz“ in den 50er Jahren, als die Frauen einen großen Teil des Ensembles stellten.

Beim Theaterverein wurde von Beginn an das soziale Engagement großgeschrieben. So halfen die Mitglieder beim Bau des Kriegerdenkmals tatkräftig mit. Sowohl mit Geld als auch mit Arbeitskraft.

Und auch das Theaterkreuz am Steinbruch-Wanderweg in Rinnen wurde von den Laienspielern finanziert. 1959 wurde das erste Sparbuch mit 500 D-Mark angelegt. Um im Ort finanzielle Unterstützung leisten zu können, seien oft zwei Stücke pro Jahr einstudiert worden, so Andreas Bellgardt.

Nach dem 40-jährigen Vereinsbestehen im Jahr 1960 erlebte der Verein eine revolutionäre Veränderung: 1961 durften auch Frauen dem Verein beitreten. Später spielten die Laienschauspieler im Saal Weiß und danach bis 1982 im Saal Mäder. Als auch dieser schloss, wich man in das Bürgerhaus nach Sötenich aus. Nachdem 1985 das Bürgerhaus in Rinnen fertiggestellt war, fand man dort eine feste Heimat. Heute bewirtschaftet der Verein das Bürgerhaus in Eigenregie. Und auch der neue von der Gemeinde angelegte Spielplatz neben dem Haus wird vom Theaterverein gehegt und gepflegt.

Seit Anfang der 1990er Jahre gehen die Rinner Theaterspieler mit ihrem Stücken jedes Jahr auf Tournee durch den Kreis Euskirchen. Sogar in Hagen-Haspe hat der Rinner Verein mehr als 20 Jahre lang einen festen Termin im Kalender des dortigen Kirmesvereins „Hackebämmels Enkel“ gehabt. In Ermangelung eines Saales können diese Gastspiele in Haspe nicht mehr stattfinden.

Ein Schmuckstück und gleichzeitig Asservatenkammer ist die kleine Theaterkneipe neben dem Bürgerhaus. Dort sind abenteuerliche und alte Einrichtungsgegenstände aufbewahrt, die bei den Aufführungen zum Einsatz kommen.

Derzeit hat der Verein weit über 100 Mitglieder von denen 15 Frauen und Männer aktiv auf der Bühne stehen. Dem Nachwuchs gehören zehn Kinder an, die schon viele Krippenspiele aber auch größere Stücke wie „Der Rattenfänger von Hameln“, „Alibaba und die 40 Räuber“ oder „Das Dschungelbuch“ auf die Bühne gebracht haben. Ein echtes Urgestein im Verein ist Elisabeth Servaty, die seit nunmehr 62 Jahren in Rinnen auf der Bühne steht. (epa)

www.theaterverein-rinnen.de

 

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