Gedenken und Mahnung

Von Reiner Züll Am Ort der ehemaligen Synagoge in Kall an die Verfolgung der jüdischen Mitbürger erinnert – Luise Binger: „Der Brudermord von Kain an Abel war der Beginn einer Geschichte von Hass und Gewalt“

An der Stätte, an der früher die jüdische Synagoge gestanden hatte, erinnerten Luise Binger und Wolfram Königsfeld an die Verfolgung und Vernichtung von jüdischen Mitbürgern in Kall. Foto: Reiner Züll
An der Stätte, an der früher die jüdische Synagoge gestanden hatte, erinnerten Luise Binger und Wolfram Königsfeld an die Verfolgung und Vernichtung von jüdischen Mitbürgern in Kall. Foto: Reiner Züll

Kall – Es war eine schlichte Gedenkfeier am Denkmal in Kall, wo einst die jüdische Synagoge gestanden hatte, die in der Nacht zum 10. November 1938 von den fanatischen Nationalsozialisten zerstört worden war. Die stellvertretende Bürgermeisterin Steffi Hübner, die Rednerin Luise Binger aus Steinfeld und der Redner Wolfram Königsfeld erinnerten in kurzen Wortbeiträgen an das schrecklich Geschehen vor 83 Jahren.

Etwa 25 Zuhörer, Bürgermeister Hermann-Josef Esser, dessen Stellvertreterin Steffi Hübner, Ortsvorsteher Stefan Kupp sowie einige Ratsvertreter hatten sich zu der kleinen Feier nahe der VR-Bank eingefunden. Dort hatten die „Omas gegen Rechts“ zuvor die an jüdische Mitbürger erinnernden Stolpersteine aufpoliert. Am Denkmal selbst, das die Gemeinde im Jahr 2008 geschaffen hatte, waren die Spuren der Flutkatastrophe vom 14. Juli noch deutlich zu erkennen.

Der Gedenkstein erinnert an die jüdischen Opfer des Nationalsozialismus in der Gemeinde Kall. Foto: Reiner Züll
Der Gedenkstein erinnert an die Synagoge in Kall und die Opfer des Nationalsozialismus. Foto: Reiner Züll

In einem kurzen Grußwort sprach Vize-Bürgermeisterin Steffi Hübner vom Sinn der Feierstunde, die Gedenken und Mahnung zugleich sei. „Damit so etwas nie mehr passiert“, so Hübner. Es seien Kaller Mitbürger gewesen, die damals der Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten zum Opfer gefallen seien. Im Namen von Rat und Bürgermeister hatte Steffi Hübner zum Beginn der Gedenkfeier ein Blumengesteck niedergelegt.

Luise Binger erinnerte an den Brudermord Kains an Abel, der der Beginn gewesen sei von einer Geschichte von Hass und Gewalt. Binger zitierte aus dem Gedicht „Adam steh auf, damit es anders anfängt“ der Dichterin Hilde Domin. Auch sie hatte als Jüdin vor der Verfolgung flüchten müssen.

Luise Binger: „Könnte die Untat von Kain ungeschehen gemacht werden, indem der Bruder Abel wieder aufsteht, damit Kain die Frage »Bin ich der Hüter meines Bruders« mit Ja beantworten kann und die ganze Menschengeschichte  anders anfangen könnte“. Dieser Wunsch werde nicht erfüllt.

Dennoch bleibe die Hoffnung, dass es einmal anders werde, und ein Neuanfang die Zerstörung des Zusammenlebens durch Hass und Gewalt verhindere und, so Binger, „Egoismus und Lieblosigkeit nicht das letzte Wort haben werden“.

„Wir müssen Widerstand zeigen gegen jedes Anzeichen rechtsradikaler Stimmungsmache, und wachsam sein gegen ein Netzwerk des aufkommenden rechten Terrors“, mahnte der ehemalige Studiendirektor Wolfram Königsfeld in seiner Gedenkrede. Man könne, wolle und dürfe nicht vergessen, war vor 83 Jahren auch in Kall geschehen sei. „Wir stehen hier an einem Mahnmal, das aufrütteln soll. Es soll uns mahnen und warnen vor fremdfeindlichem Denken“, so Wolfram Königsfeld. Der Antisemitismus nehme wieder zu. Jüdische Mitbürger zählten wieder zu den Fremden. „Der Rückfall in die Ideologie eines sogenannten Deutschtums ist eine Gefahr für unsere freiheitliche Demokratie und eine Gefahr für einen mitmenschlichen Umgang“, mahnte Königsfeld. „Wachsam sein“ sei das Gebot der Stunde.

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