Von Anke Emmerling Herzerfrischender lebendiger, bunter Mix aus erzählten Anekdoten, Lesepassagen, Filmausschnitten, Musik und Comedy
Gerolstein/Eifel – Mit der 21. Veranstaltung in diesem Jahr hat das Eifel-Literatur-Festival kurz vor dem Endspurt erneut einen Glanzpunkt gesetzt und 500 Gästen besondere Unterhaltung an einem besonderen Ort geboten. Die Bestsellerautorin Nicole Staudinger stellte in einer Mischung aus Show und Lesung Kernpunkte ihres Buchs „Stehaufqueen“ vor, passend zum „Industrie-Kultur“-Motto des Kultursommers Rheinland-Pfalz in einer Produktionshalle der Gerolsteiner Brunnen.
Kulturgenuss mal nicht im dafür vorgesehenen „Tempel“ im Herzen einer Stadt, sondern außerhalb in einem Gewerbegebiet, das ist schon eine Besonderheit an sich. Ermöglicht hat ihn ein großer Sponsor des Eifel-Literatur-Festivals, Gerolsteiner Brunnen.
Vor vier Jahren war bei Nicole Staudinger aggressiver Brustkrebs entdeckt worden, was die Welt der Mutter zweier kleiner Söhne zunächst zum Einsturz brachte. Doch im Bemühen um Bewältigung fand sie eine neue: „Mit Karl Arsch, so habe ich den Tumor genannt, kam das Schreiben – über Nacht“, erzählt sie. Heraus kam ihr erster Bestseller-Erfolg „Brüste umständehalber abzugeben“. Nun, nach überstandener Krise, hat sie mit „Stehaufqueen“ nachgelegt, einem Buch, das ausgehend von ihrer persönlichen Geschichte, über 100 Möglichkeiten benennt, sich von Schicksalsschlägen, Krisen oder einfach nur schlechten Tagen nicht unterkriegen zu lassen.
Anders, als es der Kontext vermuten lassen könnte, geht es hier aber nicht um „Du musst“-Ratschläge, um psychologische Therapieansätze oder spirituelle Sinnsuche. Nein, es kommen Geschichten und universelle Wahrheiten zur Sprache, aus denen sich jeder Mensch selbst etwas mitnehmen kann. Kostproben daraus gibt Nicole Staudinger in einem herzerfrischend lebendigen, bunten Mix aus erzählten Anekdoten, Lesepassagen, Filmausschnitten, Musik und Comedy zum Besten.
Sie zitiert zum Beispiel das Grundgesetz ihrer Kölschen Heimat: „Et es, wie et es“, „et kütt, wie et kütt“ oder „et hätt noch immer joot jejange“, aus dem ihre Oma stets weisen Rat abzuleiten wusste. Als Nicole schwer daran knabberte, dass ihr erster Freund per SMS mit ihr Schluss gemacht hatte, befand Oma: „Es gibt zwei Dinge, denen läuft man nicht hinterher, Männern und Straßenbahnen, denn sie kommen in regelmäßigen Abständen wieder“. Schicksal annehmen also, nicht hadern, nach vorne schauen. Diese Botschaft kommt genauso vergnüglich an, wie die, sich den Spaß am Leben nicht durch Sorgen über Eventualitäten vermiesen zu lassen: „Ich besteige Berge erst, wenn sie wirklich da sind. Steigen ohne Berge sieht doch irgendwie Sch… aus“.
Gar Tränen gelacht werden, als Nicole Staudinger aus dem Pool ihrer Erfahrungen den Appell „Scheiter heiter!“ schöpft. Denn sie illustriert ihn mit einem Film, in dem sie – als gebranntes Opfer des Schulsports – erneut die Konfrontation mit Reck, Kasten, Seil oder Schwebebalken sucht. Zwar gleicht das Bild, das sie dabei abgibt, noch immer nicht dem einer Olympionikin, aber anstelle der Demütigung steht nun das Lachen über sich selbst. Abgesehen davon, dass Staudinger auf diese Weise als Entertainerin punktet, ist es genau dieser Perspektivwechsel, sich außerhalb seiner selbst zu stellen und mit Humor zu betrachten, der sie so sehr glaubwürdig macht. Zudem findet sie immer die richtige Sprache und griffige Bilder, um bei ihren überwiegend weiblichen Adressatinnen auf Resonanz zu stoßen.
Auf diese Weise vermittelt sie so kluge wie elementare Erkenntnisse, etwa, dass durchaus ungeschriebene Gesetze hinterfragt werden dürfen: „Ist es überhaupt mein Ziel, ein Ziel im Leben zu haben?“ Pläne machen raube Zeit, und schramme man dann am Ziel vorbei, sei alles umsonst und der Frust groß. Warum also nicht alles auf sich zukommen lassen und fürs Heute leben? Und warum dieses Heute nicht einfach aus dem Blickwinkel der Dankbarkeit betrachten, als Geschenk, es überhaupt erleben zu dürfen?
Nicole Staudinger reißt ihr Publikum bis zuletzt mit und bringt es nicht nur zum Lachen, sondern auch zum Singen, mit einem Hitmix aus lebensbejahenden Evergreens wie Hildegard Knefs „Für mich soll es rote Rosen regnen“. Die Standing Ovations am Schluss sind mehr als verdient.