Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland stellt Flutopfern im Gemeindegebiet zehn „Tiny Houses“ zur Verfügung – Die volleingerichteten, 35 Quadratmeter großen Häuschen können wahrscheinlich noch vor Weihnachten auf Gemeindegebiet errichtet werden
Kall – Die Gemeinde Kall gehört mit zu den von der Flutkatastrophe am stärksten betroffenen Kommunen in NRW. Seit Wochen läuft die Verwaltung auf Hochtouren, um die noch immer große Not bei den Flutgeschädigten zu lindern. Jetzt gelang Bürgermeister Hermann-Josef Esser mit seinem Verwaltungsteam ein echter Glücksgriff. Die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland wird mithilfe von Spendengeldern des Hilfsbündnisses, „Aktion Deutschland hilft“ die Gemeinde bei der Anschaffung von zehn „Tiny Houses“ mit einem Betrag von bis zu einer Millionen Euro unterstützen. „Tiny Houses“ sind kleine 35 Quadratmeter große Holzhäuser für ein bis vier Personen, komplett ausgestattet mit Küchenzeile, Schränken, Betten und Sitzgelegenheiten.
„Verwaltungsmitarbeiter Markus Auel war auf die »Tiny Houses« aufmerksam geworden, die von der »Aktion Deutschland Hilft«, dem 2001 gegründeten Bündnis deutscher Hilfsorganisationen, vor kurzem erstmalig für Flutopfer im Ahrtal zur Verfügung gestellt wurden“, berichtete Bürgermeister Hermann-Josef Esser jetzt bei einer Vorstellung des Hilfsprojekts im Kaller Ratssaal. „Paul Neufeld, der eigentlich unser Integrationsbeauftragter ist, hat sich dann ans Telefon gesetzt und nicht eher geruht, bis er einen Verantwortlichen bei »Aktion Deutschland Hilft« an der Leitung hatte“, so Esser weiter. Wie der Zufall es gerade so wollte, wurden gerade zehn „Tiny Houses“, die eigentlich im Ahrtal aufgebaut werden sollten, nicht mehr benötigt. „Da haben wir sofort unseren Bedarf angemeldet“, so Esser.
Und das sehr erfolgreich. Normalerweise gibt es für die kleinen Häuser Lieferzeiten bis zu 18 Monaten. Da die Wohneinheiten für das Ahrtal aber bereits fertig produziert waren, können diese jetzt aller Wahrscheinlichkeit nach noch vor Weihnachten in der Gemeinde Kall aufgebaut werden.
„Wir sind überwältigt von Ihrem Angebot“, bedankte sich Bürgermeister Esser beim geschäftsführenden Direktor der ZWST, Aron Schuster. Dieser stellte auf Nachfrage seine Organisation etwas genauer vor. Die ZWST bilde den Zusammenschluss der jüdischen Wohlfahrtspflege in Deutschland, informierte er. Als Dachorganisation vertrete die ZWST die jüdischen Gemeinden und Landesverbände auf dem Gebiet der jüdischen Sozialarbeit. „Sie ist einer der sechs Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege in Deutschland und Mitglied der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege“, so Schuster weiter. Hauptzielsetzung der ZWST sei die Befähigung zur Selbsthilfe vulnerabler Zielgruppen innerhalb der jüdischen Gemeinschaft. Aber auch in der Unterstützung von geflüchteten Menschen und in der Humanitären Hilfe engagiere sich die ZWST in den vergangenen Jahren zunehmend. Als sozialer Dachverband der jüdischen Gemeinden in Deutschland wolle man weiterhin gesamtgesellschaftliche Verantwortung übernehmen. „In diesem Zusammenhang möchten wir Flutopfern der Gemeinde Kall noch vor dem Wintereinbruch eine Unterkunft zur Verfügung stellen“, berichtete Aron Schuster.
Bürgermeister Hermann-Josef Esser verriet, dass man bereits zwei mögliche Standorte in der Gemeinde Kall im Blick habe. „Wir haben uns entschieden, die Häuser nach Möglichkeit auf gemeindeeigenem Gebiet aufzustellen, einfach, weil hier die organisatorisch-rechtlichen Rahmenbedingungen am einfachsten einzuhalten sind“, so Esser. Es werde streng darauf geachtet, dass ausschließlich Bedürftige, also echte „Härtefälle“, in diese Häuser einziehen dürften. Darüber hinaus werde der Bauhof der Gemeinde Kall sich tatkräftig bei der Errichtung der Infrastruktur einbringen.
Die Mittel, die die ZWST über Spenden des Hilfsbündnisses „Aktion Deutschland Hilft“ für die „Tiny Houses“ zur Verfügung stellt, sind mehr als beachtlich: Pro Haus werden 100.000 Euro, also insgesamt eine Millionen Euro bereitgestellt. „Das ist nicht der Kaufpreis der Häuser, sondern der gesamte finanzielle Rahmen, der auch die Nebenkosten für Transport, Aufbau, Strom- und Kanalanschluss usw. enthält“, so Schuster. Wenn die Gemeinde es durch Eigenleistung schaffe, den Gesamtpreis zu senken, fließe das eingesparte Geld wieder zurück und gehe in andere Projekte der Hochwasserhilfe.
Derzeit geht Bürgermeister Esser davon aus, dass die Flutopfer, die in die Häuser ziehen, mindestens für zwei bis drei Winter bleiben werden. Aber auch danach werden die Häuser für Folgenutzungen im Bereich der Hochwasserhilfe zur Verfügung gestellt. Für die Nutzung der Häuser werde man über ein sozialverträgliches Nutzungsentgelt nachdenken, so Esser abschließend.
Eifeler Presse Agentur/epa
Super- ich freue mich über dieses wunderbare soziale Engagement! Es gibt m. W. in den Ortsteilen noch leerstehende, nicht genutzte Wohnungen. Könnte man in dieser prekären Ausnahmesituation darüber nachdenken, über solche Wohnungen zu verfügen?