Psychische Dauerbelastungen machen krank – Traumafolgestörungen bei Kindern, Jugendlichen und Eltern werden sichtbar – Coronamaßnahmen verschärfen Situation
Kreis Euskirchen – Sechs Monate nach der Hochwasserkatastrophe, die schlimmste Verwüstungen in den Dörfern und Städten des Kreises hinterlassen hatte, haben viele Familien Großes geleistet: Mit Improvisationstalent, Ausdauer und Geduld haben sie wieder zu einem halbwegs geregelten Familienalltag finden können. Wie wertvoll ist nun plötzlich eine trockene, warme Wohnung, und sei es nur für den Übergang. Es gibt aber auch tiefgreifende psychologische Folgen durch die Erlebnisse. Deshalb bietet der Kreis Euskirchen eine telefonische Sprechstunde für Flutopfer an.
Dort sind psychologisch geschulte Fachkräfte mittwochs von 9 Uhr bis 11 Uhr und von 15 Uhr bis 17 Uhr unter der Rufnummer 0 22 51–1 57 23 erreichbar. In der Hochwasserkatastrophe haben viele Kinder und Jugendliche, oft gemeinsam mit Eltern und Verwandten zutiefst schockierende und überwältigende Situationen durchlebt. Zusätzlich sorgen die Coronamaßnahmen für schwierige Lernbedingungen in der Schule, Kontaktbeschränkungen bedeuten insbesondere bei Kinder und Jugendliche große Einschränkungen in ihrem Wunsch nach Entfaltung, unbeschwerten Kontakten mit Freunden und Verwandten. Es entsteht Dauerstress für alle Beteiligten.
Wenn etwas Ruhe einkehrt, wird oft der Blick frei für die einzelnen Familienmitglieder, für deren psychisches Befinden und die Dinge, die notgedrungen in den Hintergrund rücken mussten. „Ob Schlafstörungen, wiederkehrende Ängste in bestimmten Situationen, längere Traurigkeit und Einsamkeit, depressive Verstimmung, schnelle Gereiztheit oder körperliche Symptome – finden wir keine Bewältigungsmöglichkeit, um schockierende Erlebnisse zu verarbeiten, gibt unsere Psyche eine Alarmmeldung in Form von bleibenden Symptomen“, sagt der Psychologe und Leiter der Erziehungs- und Familienberatungsstelle des Kreises Euskirchen, Alfons Gehlen.
„Traumatische Belastungsstörungen zeigen sich häufig erst nach einigen Wochen oder Monaten. In der Erziehungs- und Familienberatung erleben wir derzeit vermehrt Anmeldungen durch Eltern, die seit der Flut auffällige Symptome bei ihren Kindern und Jugendlichen, oder auch bei sich selbst feststellen“, so Gehlen weiter.
„Deshalb wollen wir Flutopfern unkompliziert Hilfe anbieten, die psychischen Folgen der Flut zu bewältigen und passende Hilfsangebote für Traumafolgestörungen zu finden.“ Ob mit Leitideen für den Erziehungsalltag, psychologische Einordnung von Auffälligkeiten und Symptomen, Hinweise auf passende Kinderbücher oder Unterstützung bei der Suche nach geeigneten Therapieplätzen, die Erziehungs- und Familienberatungsstelle kann unterstützen, erste Lösungsschritte zu finden. (epa)