Die erfolgreichste deutsche Bob-Marley-Tribute-Band holte Stargäste auf die Bühne, um im ausverkauften Club Bahnhof Ehrenfeld zweieinhalb Stunden für tanzbare Grooves mit Tiefgang zu sorgen – Bassist der Band ist Musiklehrer an der Musikschule Euskirchen
Köln – Jede Menge karibisch-warmen Sonnenschein gab es am vergangenen Donnerstagabend im Club Bahnhof Ehrenfeld, obwohl der freundliche Fixstern aus der galaktischen Nachbarschaft seine Wohltat auf der Nordhalbkugel längst pausiert hatte. Dafür strahlten „Marley`s Ghost“ vom ersten Song an so viel jamaikanische Wärme aus, dass die bunte Mischung friedlicher Menschen im ausverkauften Saal wohl auch ohne Tanzen ins Schwitzen gekommen wäre. Die Tanz-Füße nicht zu bewegen, wenn die bekannteste und erfolgreichste Bob-Marley-Tribute-Band auf der Bühne heiß geliebte Hits, aber auch weniger bekannte Songs des weltberühmten Superstars spielend abfeierte, stellte sich für die meisten aber eh als unmöglich heraus.
Mit seiner Mischung aus warmherziger Offenheit und still lächelnder Zurückhaltung gelang es Frontmann und Gitarrist Sebastian Sturm vom ersten wohltemperierten Ton an, mit seiner kratzigen und dennoch sanften Stimme die Marley-Freunde in ihrer Lebensfreude anzufachen. Wie eine Sonneneruption überschütte Joonas Lorenz derweil an den Keyboards mal mit hypnotischen Akkordbrechungen im Vintage-Orgel-Sound, mal mit psychedelischen Tönen das Publikum und fuhr im zweiten Teil des zweieinhalb-stündigen Konzerts zur schauspielerischen und akrobatischen Höchstform auf, als er sich mit dem gefühlvollen Lead-Gitarristen Matt Sonnicksen ein spaßiges musikalisches Kräftemessen lieferte. Sonnicksen verlor zwar gutgelaunt das „Battle“, brillierte aber weiterhin als Moderator, was Sturm breit grinsend mit dem Satz kommentierte: „Seitdem der Mann in der Band ist, ist alles viel einfacher!“
Was wäre Reggae ohne eine hervorragende Rhythmus-Sektion? Jannis Lewe am Schlagzeug sorgte ebenso ein- wie unaufdringlich für ein Kaleidoskop an Rhythmen von jazzig-schwebend bis donnernd-treibend und bot so das Fundament für die breite stilistische Auswahl vom zarten Liebessong bis zur „Punky Reggae Party“. Obwohl „Marley`s Ghost“ immer nah am Original bleiben, um Botschaft und Musik vom Rasta Robert Nestor Marley weiterzugeben, kommt immer auch etwas ganz eigenes, Frisches durch die freundschaftlich eng verbundene Band auf die Bühne. Daran baut auch Bassist und Musiklehrer der Musikschule Euskirchen, Christian Golz, kräftig mit, ergänzt er doch die Basslines von Marleys Reggae-Bass-Legende Aston Barrett mit eigenen funky Grooves.
So richtig heiß wurde es auf Bühne und im Saal, als Matt Sonnicksen nach und nach immer mehr Musiker-Freunde auf die Bühne holte. Mit Posaunist Til Schneider, Saxofonist Marcus Kesselbauer und Frederik Köster an der Trompete gab es nun eine brodelnde Bläser-Sektion, während Mirta Junco Wambrug aus Kuba und „Sista Kira“ der Kölner Reggae-Band „Conscious Culture“ einerseits für den Background-Gesang nach dem Vorbild der „I-Threes“ von Marley sorgten, andererseits aber auch ihre Talente als Solo-Sängerinnen zeigten.
Mit dem mittlerweile in Deutschland lebenden jamaikanischen Star-Trommler Oshane Campbell hatten „Marley`s Ghost“ einen wahren Lavastrom von Percussions gewinnen können. Mal lässig an der Gefäßrassel Cabasa, mal mit fliegenden Fingern trance-artig treibend an Bongos und Congas, dann wieder mit Schlagzeugsticks die Offbeats der Drums verstärkend, strahlte Campell eine ganz eigene Mischung aus sanft lächelndem Vulkanfels und hell aufleuchtendem Schmiede-Feuer aus.
Für die knisternde Mischung aus energetischem High und tiefer Berührtheit sorgte dann Inti Ayvar Waltz („Memoria“), als er für „Get Up, Stand Up“, als Hymne für friedlichen Widerstand weltweit zelebriert, auf die Bühne geholt wurde. Das Mülheimer Reggae-Gewächs hat Wurzeln in Peru und brachte mit einer in Spanisch vorgetragenen Strophe besondere Vibes unter die wogende und swingende Publikumsschar. Die war noch bunter als die Band: Vom Bob-Marley-T-Shirt tragendem Teenager bis zum Reggae-Rentner in beigefarbenen Armeejacke mit panafrikanischen Farben als Aufnäher (in der Reggae-Szene Referenz für die besondere Verbindung zu Äthiopien und der Wiege der Menschheit Afrika), von glücklichen swingenden Menschen im Rollstuhl bis zum menschlichen dauertanzenden „Dotzebällchen“ feierte das Volk die „Positive Vibrations“ von „Marley`s Ghost“.
Dann kündigte Sebastian Sturm den nächsten Stargast an, der ideal sei, um den oft vom Publikum gewünschten „Redemption Song“ zu singen. Der Berliner Frank Delé („Seeed“), dessen Vater für sein Medizinstudium von Ghana ins „Dicke B“ zog, begann sein zunächst leises Spiel auf der Akustikgitarre erst, nachdem er seine Begeisterung für „Marley`s Ghost“ zur lautstarken Freude des Publikums kundgetan hatte. Das genoss den intensiv emotionalen Vortrag von Delè hörbar und begeisterte sich noch mehr, als erst Oshane Campell an den Percussions begleitete, dann nach und nach die gesamte Band zu einem fulminanten, üppigen Finish zusammenspielte.
Zu dem Song, der von der 400 Jahre währenden Verschleppung von Afrikanern erzählt und im Chorus auffordert, gemeinsam für Freiheit und Erlösung zu singen, wandte sich Frank Delé direkt ans Publikum: „Ich sehe hier lauter friedliche Menschen. Es ist heute wichtiger denn je, diese friedliche Botschaft zu verbreiten – wir bringen sie zu euch. Tragt ihr sie weiter nach da draußen!“ Und brachte damit auf den Punkt, was Marley`s Ghost zur Mission gemacht hat: Die Lebendigkeit, Freude, aber auch Sozialkritik und Friedensbotschaft von Bob Marley auszusenden.
Welche gegenseitige Wirkung das haben kann, zeigte Bassist Christian Golz nach dem Konzert, als er sich wie die anderen Bandmitglieder unter das Publikum mischte, dann sagte „Ich bin einfach nur selig!“ und damit augenscheinlich die Gesamt-Gefühlslage der Zuhörerschar reflektierte. Die Bandmitglieder, die sich als Familie sehen, leben auf der Bühne ihren Traum. Das spürt dann das Publikum und wird inspiriert, selbst wieder mehr zu träumen. Vielleicht von dem, wovon Bob Marley träumte: Eine friedliche, den Nächsten liebende Welt, in der die Hautfarbe keine größere Bedeutung als die Farbe der Augen hat, in seinen eigenen Worten: „One Love, One Heart, Let’s get together and feel all right!“