Markus Ramers, Vorsitzender SPD Kreis Euskirchen und stellvertretender Landrat, hat zusammen mit Landtagsabgeordneten den Dialog mit belgischen Politikern gesucht, um konstruktive Lösungen bezüglich des durch Störfälle und tausende Risse in der Reaktorhülle bekannt gewordenem belgischen Atommeilers zu finden
Euskirchen/Brüssel – Wie kann man das durch tausende Risse in die Kritik geratene belgische Atomkraftwerk Tihange endgültig abschalten lassen? Markus Ramers, Vorsitzender SPD Kreis Euskirchen, hat sich am vergangenen Donnerstag mit Parteifreunden aus der Landespolitik auf den Weg nach Brüssel gemacht, um sich mit Vertretern der belgischen Schwesterparteien zu treffen. Ziel war es, konstruktive Lösungen zu finden, so Ramers beim Pressegespräch am Freitagmorgen in den Euskirchener SPD-Fraktionsräumen: „Belgien ist nicht Nord-Korea, sondern unser Nachbarland. Mir ist immer wichtig, durch Gespräche Verständnis zu erreichen.“
Diese Gespräche hätte er auch gerne mit dem Betreiber des als „Schrott-Reaktor“ bekanntgewordenem Atommeilers geführt, ein Ortstermin war bereits zugesagt worden, wie der SPD-Kreisvorsitzende und stellvertretende Landrat sagte: „Electrabel hat aber am Vorabend kurzfristig »aus praktischen Gründen« abgesagt – was mein Vertrauen nicht gerade gestärkt hat.“
Sehr positiv hingegen sei das Treffen mit den belgischen Politikern verlaufen, unter ihnen auch der ehemalige belgische Premierminister Elio Di Rupo. Markus Ramers: „Unsere verschiedenen Schwesterparteien in Belgien – durch die Gebiets- und Sprachaufteilung gibt es mehrere – haben gegen die weitere Laufzeitverlängerung der Reaktoren um weitere zehn Jahre gestimmt, sie sind ebenfalls sehr besorgt, was die Sicherheitslage angeht.“
Wichtig sei den Belgiern aber auch die Versorgungssicherheit der Bevölkerung, denn die würden ihren Strom zu etwa 55 Prozent aus Atomenergie geliefert bekommen. Deshalb hatte Ramers einen konstruktiven Vorschlag im Gepäck: „Uns ist aufgefallen, dass es keine leistungsfähige, direkte Stromtrasse zwischen Deutschland und Belgien gibt. Durch eine Vernetzung könnte man das Problem aber lösen.“ Dazu gebe es eine Landesgruppe, die sich mit dem Netzausbau beschäftige. „Wir wollen jetzt auf einen grenzüberschreitenden Ausbau hinwirken und sind bei unseren belgischen Freunden auf sehr positive Resonanz gestoßen“, informierte Ramers.
Harte Fakten aber etwa über den Zustand des Stahl-Reaktorbehälters, der laut Presseberichten im Verdacht steht, ebenso wie die Betonhülle zahlreiche Risse aufzuweisen, konnten auch die belgischen Sozialisten nicht liefern, so der Kreis-SPD-Chef: „Gerade die Informationspolitik des Betreibers gilt es zu verbessern. Wir hoffen aber, durch weitere Anfragen unserer belgischen Freunde beim für Reaktorsicherheit zuständigen belgischen Innenminister, weitere Informationen zu bekommen.“
Andreas Schulte, stellvertretender Kreis-SPD-Vorsitzender, wies auf einen weiteren „Kommunikationsknoten“ hin: „Es muss im heutigen Zeitalter der schnellen elektronischen Übertragungen doch möglich sein, bei einem gravierenden Störfall in Tihange oder dem benachbarten Atomkraftwerk Doel kurzfristig informiert zu werden, damit der Katastrophenschutz im Kreis Euskirchen die nötige Reaktionszeit für Maßnahmen hat.“
Bislang sei der Weg kaum nachzuvollziehen: Im Falle eines Falle müsse der AKW-Betreiber erst die belgische Regierung informieren, die die Meldung dann nach Brüssel weitergibt. Diese informiere dann die Bundeskanzlerin, die über weitere, verschiedene Stationen die Meldung weitergibt. Schulte: „Wie lange es im Realfall dauern würde, bis der Katastrophenschutz im Kreis Euskirchen davon erfährt und dann die Bevölkerung warnen und etwa mit Jodtabletten versorgen kann, weiß niemand so genau.“
Wobei Jodtabletten, so ist sich die Euskirchener SPD-Doppelspitze sicher, natürlich keine Lösung seien, nur die endgültige Abschaltung der Reaktoren sei richtig. Die belgischen Politiker der Sozialistischen Parteien befürchten jedoch, dass sich die Abschaltung sogar noch über die Zehn-Jahres-Verlängerung bis 2025 verzögern könnte, wie Markus Ramers berichtete: „Denn es sollen 700 Millionen Euro in die Atomkraftwerke investiert werden.“
Neben dem Klageweg, dem sich auch der Kreis Euskirchen angeschlossen hat, den Demonstrationen, Protesten und Petitionen hält Ramers aber weiterhin den Dialog mit den belgischen Nachbarn für wichtig: „Die sind ebenso besorgt wie wir und sich gerade der Terrorgefahr in Bezug auf die Atommeiler sehr bewusst. Wir haben mit unseren belgischen Kollegen bereits ein weiteres Treffen ins Auge gefasst.“ Schulte will auch nicht lockerlassen, was den zugesagten Ortstermin in Tihange betrifft: „Wir werden den Betreiber an sein Versprechen erinnern und auf den in Aussicht gestellten Termin noch im Juni drängen.“