„Zuwanderung kann für den Kreis Euskirchen eine echte Chance bedeuten“

Beim Unternehmerfrühstück der Gemeinde Kall, das diesmal bei der ene-Unternehmensgruppe stattfand, drehte sich alles um die Eingliederung von Flüchtlingen in Ausbildung und Arbeit

Markus Böhm, Geschäftsführer der ene-Unternehmensgruppe, begrüßte im Haus des regionalen Energiedienstleisters an die 30 Unternehmerinnen und Unternehmer aus Kall. Bild: Michael Thalken/Eifeler Presse Agentur/epa
Markus Böhm, Geschäftsführer der ene-Unternehmensgruppe, begrüßte im Haus des regionalen Energiedienstleisters an die 30 Unternehmerinnen und Unternehmer aus Kall. Bild: Michael Thalken/Eifeler Presse Agentur/epa

Kall – Integration von Flüchtlingen ist besonders für die Südkommunen des Kreises Euskirchen ein wichtiges Thema, denn Menschen, die ihre Heimat verlassen haben, könnten in Zukunft dazu beitragen, die fehlenden Fachkräfte vor Ort zu ersetzen. Für den Kaller Bürgermeister Herbert Radermacher ist dieses Thema so aktuell, dass er es auf die Tagesordnung des Unternehmerfrühstücks setzte, bei dem sich in zwangloser Folge Unternehmerinnen und Unternehmer aus der Gemeinde zusammenfinden, um sich zum einen näher kennen zu lernen und sich zum anderen über bestimmte Themen informieren zu lassen.

Diesmal stellte die ene-Unternehmensgruppe ihre Räumlichkeiten zur Verfügung. ene-Geschäftsführer Markus Böhm, der vor Ort an die 30 Unternehmerinnen und Unternehmer begrüßen konnte, verzichtete darauf, die „ene“ vorzustellen, da es in Kall ohnehin niemand gebe, der den regionalen Energiedienstleister nicht kenne. So konnte der Geschäftsführer des Jobcenters Euskirchen, Josef Weingarten, gleich medias in res gehen und die aktuelle Gesetzeslage für Flüchtlinge und Asylbewerber skizzieren.

„Es laufen viele Gerüchte durch das Land, und selbst für Deutsche ist die sich immer wieder ändernde Gesetzeslage nur schlecht zu durchschauen“, berichtete er. Flüchtlinge hätten es da noch weitaus schwerer, sich in dem Paragraphendschungel zurechtzufinden. Fakt sei jedoch weiterhin, dass Flüchtlinge ohne Asylantrag einem Beschäftigungsverbot unterlägen und erst nach einem solchen Antrag in Arbeit und Sprachkurse vermittelt werden könnten. Um Integration in Ausbildung und Arbeit für Flüchtlinge mit guter Bleibeperspektive zu ermöglichen, habe man im Berufsbildungszentrum in Euenheim den „Integration Point“ ins Leben gerufen. „Das Team besteht aus neun Leuten, davon sprechen vier arabisch“, so Weingarten. Insgesamt habe man bereits 633 Kunden aufgenommen, 471 Männer und 162 Frauen. Bei 60 Prozent der Kunden sei der Asylantrag noch nicht anerkannt. Überwiegend habe man es mit Syrern zu tun, gefolgt von Irakern, Iranern sowie Menschen aus Eritrea und einigen anderen Staaten. Dreiviertel der Kunden sei unter 35 Jahre alt.

Josef Weingarten, Leiter des Jobscenters Euskirchen, berichtete über die derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen zur Eingliederung von Flüchtlingen in Ausbildung und Arbeit. Bild: Michael Thalken/Eifeler Presse Agentur/epa
Josef Weingarten, Leiter des Jobscenters Euskirchen, berichtete über die derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen zur Eingliederung von Flüchtlingen in Ausbildung und Arbeit. Bild: Michael Thalken/Eifeler Presse Agentur/epa

Sobald ein Asylantrag anerkannt werde, gebe es für die Betroffenen keine Beschränkungen mehr. Sie könnten dann jede Arbeitsstelle annehmen. Für die Unternehmer sei besonders die neue „3+2-Regelung“ interessant. Diese besage, dass alle Flüchtlinge eine Ausbildung machen könnten, auch die mit nur mittlerer Bleibeperspektive. Bei einer Ausbildung spreche das Ausländeramt dann eine Duldung aus. Nach der dreijährigen Ausbildung würde, wenn der Arbeitgeber den Azubi übernehme, die Duldung noch einmal um zwei Jahre verlängert. „Voraussetzung ist, dass die Ausbildung erfolgreich absolviert und der Betroffene nicht straffällig wird“, erklärte Weingarten. Außerdem müsse der Azubi an seiner Identitätsfeststellung aktiv mitwirken und dafür notwendige Dokumente beschaffen. Ausbildenden Betrieben solle mit der „3+2-Regelung“ die Sicherheit gegeben werden, dass sie einen Azubi für mindestens fünf Jahre im Betrieb aufnehmen könnten.

Weingarten informierte die Unternehmer auch über ein interessantes Projekt. So können Arbeitgeber während eines  Berufsorientierungspraktikums testen, ob ein Asylbewerber für sie ein geeigneter Mitarbeiter sein könnte. Dieses Praktikum sei bis zu zwölf Wochen lang möglich und bedürfe keiner Genehmigung durch das Ausländeramt. Der „Integration Point“ übernehme die anfallenden Fahrtkosten.

Lena Voigt, kaufmännische Auszubildende bei der ene-Unternehmensgruppe, berichtete von einem gemeinsamen Projekt mit der Gemeinde Kall, bei dem Azubis Flüchtlinge unterstützen. Bild: Michael Thalken/Eifeler Presse Agentur/epa
Lena Voigt, kaufmännische Auszubildende bei der ene-Unternehmensgruppe, berichtete von einem gemeinsamen Projekt mit der Gemeinde Kall, bei dem Azubis Flüchtlinge unterstützen. Bild: Michael Thalken/Eifeler Presse Agentur/epa

Iris Poth, Leiterin Struktur- und Wirtschaftsförderung des Kreises Euskirchen, berichtete von einer weiteren wichtigen Veranstaltung für Unternehmer. Am Montag 28. November, werde man ab 18 Uhr im „Integration Point“ noch einmal ausführlich über das Thema „Flüchtlinge und Arbeitsmarkt“ informieren. Interessenten könnten sich schon jetzt bei der Wirtschaftsförderung melden (wirtschaftsförderung@kreis-euskirchen.de). „Wenn wir die überwiegend jungen Leute an die Hand nehmen und ihnen Perspektiven aufzeigen, dann kann die Zuwanderung für uns eine echte Chance bedeuten, den Folgen des demografischen Wandels entgegenzuwirken“, so Poth, die auch Demografiebeauftragte des Kreises ist. Poth appellierte aber nicht nur an die Geschäftsführer der Unternehmen, Integration zuzulassen, sondern auch an die Mitarbeiter, sich für die Neuankömmlinge zu öffnen und Hilfe anzubieten.

Markus Böhm betonte, dass Sprache der Schlüsselfaktor für eine gelingende Integration sei und berichtete von einem Projekt der ene-Unternehmensgruppe, das man gemeinsam mit der Gemeinde Kall auf die Beine gestellt habe. „Unsere kaufmännischen Auszubildenden gehen dabei direkt auf die Flüchtlinge zu, um ihnen die deutsche Sprache nahezubringen“, so Böhm. Die Auszubildende Lena Voigt berichtete, dass sich mittlerweile in drei Kleingruppen jeweils zwei Azubis um drei bis vier Flüchtlinge kümmerten. Man treffe sich im Rathaus, habe aber auch schon gemeinsam die Unterkünfte der Flüchtlinge inspiziert, um deren Probleme besser zu verstehen. „Mit den 16- bis 20-Jährigen haben wir uns zunächst über die unterschiedlichen Lebensstile unterhalten und später den Aufbau einer Bewerbung erarbeitet“, berichtete sie. Mit zwei kleineren Kindern im Alter von zwölf und 14 Jahren, die über eine hohe Lernbereitschaft verfügten, habe man anhand einer selbstgebastelten Uhr die Zeit erklärt oder mit einem Wort-Memory spielerisch Vokabeln einstudiert. „Jetzt unterstützen wir eine Kindergruppe in der Hauptschule, mit der wir basteln, malen oder einfach mal Fußball spielen.“

Nach den Vorträgen hatten die Teilnehmer des Unternehmerfrühstücks noch viel Zeit, um sich bei einer Tasse Kaffee über aktuelle Probleme zu unterhalten. Bild: Michael Thalken/Eifeler Presse Agentur/epa
Nach den Vorträgen hatten die Teilnehmer des Unternehmerfrühstücks noch viel Zeit, um sich bei einer Tasse Kaffee über aktuelle Probleme zu unterhalten. Bild: Michael Thalken/Eifeler Presse Agentur/epa

Jochen Roebers, Schulleiter des Berufskollegs Eifel, informierte, dass man am Kolleg zwei internationale Förderklassen eingerichtet habe. „Für diese Schüler suchen wir immer wieder Praktikumsplätze“, sagte er. Abschließend wies Bürgermeister Radermacher noch auf eine weitere Novität für Kall hin: In der Nähe des Rathauses soll ein Haus der Begegnung eingerichtet werden. Dafür habe die Gemeinde Kall bereits Fördergelder zugesprochen bekommen.

Eifeler Presse Agentur/epa

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