Aus der geschützten Werkstatt auf den ersten Arbeitsmarkt

Mittlerweile elf Angehörige der Nordeifelwerkstätten arbeiten bei der Mechernicher Spedition Berners als Produktionshelfer, Staplerfahrer oder in der Digitalen Archivierung – Beschäftigung von Menschen mit Behinderung auf dem ersten Arbeitsmarkt ist trotz guter Erfahrungen noch nicht alltäglich

Mitarbeiter der Spedition Berners und Beschäftigte der NEW sind zu einem Team zusammengewachsen, betonen Daniel Claßen (3.v.l.), Geschäftsführer Spedition Berners, und Georg Richerzhagen (5.v.l.), Geschäftsführer Nordeifelwerkstätten (NEW). Bild: Tameer Gunnar Eden/Eifeler Presse Agentur/epa
Mitarbeiter der Spedition Berners und Beschäftigte der NEW sind zu einem Team zusammengewachsen, betonen Daniel Claßen (3.v.l.), Geschäftsführer Spedition Berners, und Georg Richerzhagen (5.v.l.), Geschäftsführer Nordeifelwerkstätten (NEW). Bild: Tameer Gunnar Eden/Eifeler Presse Agentur/epa

Euskirchen/Mechernich – Mit etwas Scheu fing es an, doch mittlerweile herrscht Begeisterung. – So könnte man die Erfahrungen beschreiben, die das Team um Daniel Claßen, Geschäftsführer der Spedition Berners in Mechernich, und mittlerweile elf Menschen mit Behinderung, die dort in einer Außenarbeitsgruppe tätig sind, gesammelt haben. Georg Richerzhagen, Geschäftsführer der Nordeifelwerkstätten (NEW): „Anfangs stellt sich bei Unternehmen oft die Frage nach dem Leistungsvermögen von Menschen mit Einschränkungen. Wenn man aber dann – nach der sicherlich notwendigen Vorbereitung – einfach anfängt, ergibt sich vieles von selbst.“ Seit dem vergangenen Jahr beweisen das Beschäftigte der NEW in dem bereits um 1880 von Paul Berners gegründeten Unternehmen, das neben dem eigentlichen Speditionsbetrieb sowohl regional, als auch bundesweit Dienstleistungen wie Lagerhaltung oder Verpackung anbietet.

Sabrina Diefenthal etwa ist bei Berners damit beschäftigt, Schutzstopfen auf Edelstahlrohre anzubringen. Da diese etwa zu medizinischen Zwecken, in der Lebensmittelherstellung und sogar im Weltall genutzt werden können, werden die Rohre so vor Verschmutzung geschützt. Diefenthal: „Die Arbeit macht mir Spaß, die Kollegen sind nett. Und ich bin seit Februar fest in die Außenarbeitsgruppe gewechselt!“

Denn das ist eines der erklärten Ziele der NEW: Menschen mit Handicap so individuell zu fördern, dass sie ihre Fähigkeiten bestmöglich einbringen können und im Idealfall sogar auf dem ersten Arbeitsmarkt unterkommen.

Daniel Claßen: „Es war schon ein Schritt, gleich sechs Menschen mit Behinderung bei uns zu integrieren, denn selbstverständlich können wir hier keine Eins-zu-eins-Betreuung bieten. Aber wir haben es einfach ausprobiert, es funktioniert – und zwar ganz wunderbar.“ Wichtig sei, dass es einen Mittler gibt, berichtet Anja Elfroth vom Sozialen Dienst der NEW: „Hier wird niemand allein gelassen. Vor allem gibt es viel Vorbereitung. Wenn alles passt, geht es mit einer Hospitation los, dann folgt ein Praktikum und danach ein Außenarbeitsplatz oder sogar eine Anstellung. Durch die fest installierte Gruppe vor Ort können wir flexibel agieren und unseren interessierten Beschäftigten aus den Werkstätten schnell eine Möglichkeit anbieten, den Außenarbeitsplatz kennenzulernen.“

Mal mit der rechten, mal mit der linken Hand hämmert Sabrina Diefenthal Schutzstopfen auf Edelstahlrohre und freut sich über die Festanstellung, die sie mittlerweile bei der Spedition Berners bekommen hat. Bild: Tameer Gunnar Eden/Eifeler Presse Agentur/epa
Mal mit der rechten, mal mit der linken Hand hämmert Sabrina Diefenthal Schutzstopfen auf Edelstahlrohre und freut sich über die Festanstellung, die sie mittlerweile bei der Spedition Berners bekommen hat. Bild: Tameer Gunnar Eden/Eifeler Presse Agentur/epa

Eine Koordinatorin ist vonseiten der Spedition Berners im Einsatz, von den NEW ist Andreas Kattwinkel als Leiter der Außenarbeitsgruppe mit vor Ort. Er ist auch da, wenn es einmal Probleme geben sollte. Der NEW-Beschäftigte Luca van der Broek: „Das kommt aber so gut wie nie vor, die Arbeitsatmosphäre hier ist sehr gut.“ Besonders sei auch, so Richerzhagen, dass Beschäftigte aus verschiedenen der über den Kreis Euskirchen verteilten Werkstattstandorte der NEW in einer Arbeitsgruppe zusammengefasst seien. „Bei anderen Außenarbeitsgruppen, wie beispielsweise dem »Bügelprofi« oder unseren Kantinen bei der Kreissparkasse oder dem Thomas-Esser-Berufskolleg, hatten die Beschäftigten vorher an einer Stätte zusammengearbeitet, kannten sich also bereits.“

Seit acht Jahren gibt es Verbindungen zwischen Berners, der Spedition mit über 200 Mitarbeitern und großen Lagerkapazitäten im Gewerbegebiet Obergartzem, und den Nordeifelwerkstätten als Dienstleister für die Belange von Menschen mit Behinderung. Denn die NEW-Tochter „EuLog“ kooperiert schon lange mit der Spedition Berners, so Daniel Claßen: „Wenn wir mehr Aufträge haben, als wir erledigen können, geben wir diese an »EuLog« ab und umgekehrt“. Seit 2019 fanden dann erste Gespräche bezüglich einiger NEW-Außenarbeitsplätze bei Berners statt. Anfang 2020 kam der erste Mitarbeiter in die Spedition, wie Claßen berichtete: „Wir waren alle sehr schnell angetan von ihm, es gab rasch einen guten, persönlichen Kontakt. Als er seinen Staplerschein absolviert hat, hat er auch mich privat zu seiner Party eingeladen.“

Eine gute Arbeitsatmosphäre und Spaß bei der Arbeit, das macht für Luca van der Broek die Beschäftigung bei der Spedition Berners zur wahren Freude. Bild: Tameer Gunnar Eden/Eifeler Presse Agentur/epa
Eine gute Arbeitsatmosphäre und Spaß bei der Arbeit, das macht für Luca van der Broek die Beschäftigung bei der Spedition Berners zur wahren Freude. Bild: Tameer Gunnar Eden/Eifeler Presse Agentur/epa

Mittlerweile braucht es keine Überzeugungsarbeit mehr von den Job-Coaches der NEW. Der Berners-Geschäftsführer berichtet etwa: „Die LKW-Fahrer kommen immer mit vielen Papieren, die gescannt werden müssen. Uns fiel auf, dass das ein Betätigungsfeld für einen NEW-Angehörigen sein könnte.“ Bei den NEW war schnell der passende Beschäftigte ausfindig gemacht, und so bietet Berners nun auch eine Beschäftigung in der digitalen Archivierung an, neben den anderen Tätigkeiten als Produktionshelfer, Staplerfahrer und in der Instandhaltung. Anja Elfroth: „Durch die Arbeit hier entdecken manche Beschäftigte auch neue Fähigkeiten, suchen nach weiteren Aufgaben, bilden sich dafür fort. Das Selbstwertgefühl geht dadurch natürlich durch die Decke!“

Das bestätigt auch Hendrik Opgenorth, Abteilungsleiter Produktion und Technik bei den NEW: „Oft gibt es – wie überall – Ängste vor einem neuen Arbeitsplatz. Aber wenn der erste Schritt gewagt ist, machen die Beschäftigten oft gute Erfahrungen. Das spricht sich bei den NEW rum und motiviert auch andere.“ Die Identifikation mit ihrem Arbeitsplatz sei gerade bei Menschen mit Behinderung oft sehr groß, so Opgenorth: „Man spürt den Stolz, mit denen sie etwa die Westen mit dem Berners-Schriftzug tragen.“ Andreas Kattwinkel ergänzt: „Auch die Beschäftigten in den Außenarbeitsplätzen sagen halt nicht, dass sie bei den NEW arbeiten, sondern »bei Berners«!“ Anja Elfroth: „Viele entwickeln dann weitere Ziele für sich, an welche sie vorher noch nicht gedacht haben.“ Und das gelte nicht nur für junge Menschen wie den 23-Jährigen Luca van der Broek: „Wir haben hier bei Berners einen Beschäftigten, der 20 Jahre im geschützten Werkstattrahmen arbeitete – und jetzt erstmals den Schritt nach draußen gewagt hat!“

Weitere Informationen im Internet: www.nordeifelwerkstaetten.de

Eifeler Presse Agentur/epa

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