„Man muss aus der Katastrophe lernen“

NEW-Geschäftsführung blickt nach sieben Wochen zurück auf die Flutkatastrophe – Trauer um einen Beschäftigten – Georg Richerzhagen: „Solidarität war enorm“ – Totalschaden beim Nimm-Ess-Mit Markt, Verkauf soll übergangsweise in mobilem Container weitergehen

Tanja Scheuls, Geschäftsfeldleitung Bildung und Berufliche Integrationsdienste, und NEW-Geschäftsführer Georg Richerzhagen wollen jetzt nach vorne blicken und aus der Flutkatastrophe lernen. Bild: Michael Thalken/Eifeler Presse Agentur/epa
Tanja Scheuls, Geschäftsfeldleitung Bildung und Berufliche Integrationsdienste, und NEW-Geschäftsführer Georg Richerzhagen wollen jetzt nach vorne blicken und aus der Flutkatastrophe lernen. Bild: Michael Thalken/Eifeler Presse Agentur/epa

Euskirchen-Kuchenheim – Über sieben harte Wochen liegen mittlerweile hinter den rund 1200 Beschäftigten mit Behinderung und 270 Mitarbeitern der Nordeifelwerkstätten (NEW). Die Corona-Pandemie mit all ihren ständig sich ändernden Hygienevorschriften und Verordnungen war schon eine besondere Herausforderung für den Dienstleister, der sich an Standorten über das gesamte Kreisgebiet verteilt und um Menschen mit Behinderung kümmert. Dann kam die Flutkatastrophe vom 14. Juli. „Wir verzeichnen unter unseren Mitarbeitern und Beschäftigten die ganze Bandbreite: Einige waren überhaupt nicht betroffen, andere haben kein Zuhause mehr“, teilt NEW-Geschäftsführer Georg Richerzhagen jetzt auf Nachfrage mit. „Doch am schlimmsten ist, dass einer unserer Beschäftigten außerhalb der Werkstätten in den Fluten ums Leben kam.“

Total zerstört wurde der beliebte Nimm-Ess-Mit-Markt der NEW in Bad Münstereifel, der als Inklusions-Vorzeigeprojekt galt. Bild: NEW
Total zerstört wurde der beliebte Nimm-Ess-Mit-Markt der NEW in Bad Münstereifel, der als Inklusions-Vorzeigeprojekt galt. Bild: NEW

Tanja Scheuls, Geschäftsfeldleitung Bildung und Berufliche Integrationsdienste, erinnert sich: „Bevor wir nach der Katastrophe im rasch einberufenen Krisenstab überhaupt eine Bestandsaufnahme der Schäden bei den NEW erheben konnten, mussten wir zunächst in Erfahrung bringen, ob unsere Leute alle wohl auf sind.“ Das habe sich als schwierig erwiesen, da die normale Kommunikation vielfach nicht mehr möglich gewesen sei und auch ein Serverzugriff auf die Kontaktdaten der Beschäftigten sich als unmöglich erwies. Bis Samstag gelang es dann, zwei Notrufnummern zu installieren, und bis Montag hatte man alle NEWler weitestgehend kontaktiert und sie gebeten, sich so rasch wie möglich zu melden. „Es gab Lebenszeichen per SMS, per Telefon sowie über die Sozialen Medien. Und einige standen plötzlich einfach vor der Tür“, so Scheuls. Bereits am Montag seien die Werkstätten an allen vier Standorten wieder soweit hergerichtet gewesen, dass man denjenigen, die wollten, ein Stückchen Arbeitsalltag habe zurückgeben können. „Wer kommen konnte, der kam, doch viele Straßen waren nicht mehr passierbar, die Zubringer hatten keine Fahrer mehr und bis heute ist der ÖPNV nicht wieder voll hergestellt“, so Scheuls weiter.

Dieser in Kuchenheim im Keller gelagerte Aktenberg war nicht mehr zu retten. Bild: NEW
Dieser in Kuchenheim im Keller gelagerte Aktenberg war nicht mehr zu retten. Bild: NEW

„Die Solidarität unter den Mitarbeitern und Beschäftigten war unterdessen enorm“, erinnert sich Richerzhagen, „jeder half jedem und sei es auch nur, dass er Trost spendete.“ Man habe dann 65 Personen im Unternehmen ermittelt, die es besonders hart getroffen hatte und die dringend Hilfe benötigten. „Also gründeten wir unter Beteiligung der beiden Vorsitzenden von Betriebs- und Werkstattrat einen Spendenrat, starteten einen Spendenaufruf und erstellten ein eigenes Förderantragsformular“, so Richerzhagen weiter. So konnten unter den Hilfsbedürftigen in kurzer Zeit 30.000 Euro verteilt werden.

Die Bilanz der Zerstörung kam unterdessen erst nach und nach ans Licht: In Bad Münstereifel wurde der Nimm-Ess-Mit-Markt komplett ruiniert. Noch am Nachmittag des 14. Juli hatten die Mitarbeiter auf Facebook in einem gerade fertiggestellten Imagefilm davon geschwärmt, wie wundervoll es sei, dort arbeiten zu dürfen und täglich mit unterschiedlichsten Kunden in Kontakt zu treten. Der kleine Lebensmittelmarkt mit Brötchen-, Kuchen und Kaffeetheke galt als Vorbild-Inklusionsprojekt. Ein paar Stunden später rauschte die Erft durch den Laden und verwüstete ihn völlig. Als das Wasser zurückging, bildete die zerschlagene Inneneinrichtung zusammen mit den Lebensmitteln und den Schlammmassen einen schockierenden Anblick.

Auch das Außengelände in Kuchenheim stand teilweise unter Wasser. Viele Kellerräume wurden geflutet. Bild: NEW
Auch das Außengelände in Kuchenheim stand teilweise unter Wasser. Viele Kellerräume wurden geflutet. Bild: NEW

„Mit Hilfe von vielen Unbekannten, die einfach plötzlich da waren und geholfen haben, konnte der Laden ausgeräumt und vom Schlamm befreit werden“, berichtet Richerzhagen. Der Austausch mit der Stadt Bad Münstereifel sei die ganze Zeit über hervorragend gewesen: „Leute aus dem Planungs- und Tiefbauamt standen uns stets zur Seite.“

Wenn es nach den NEW geht, so soll der „Nimm-Ess-Mit-Markt“ wieder aufgebaut werden. Für die Übergangslösung will man einen mobilen Verkaufscontainer bereitstellen, um zumindest die Schülerinnen und Schüler sowie die Handwerker in der Stadt zu versorgen.

In der Zentrale in Kuchenheim waren während der Flut mehrere Kellerräume vollgelaufen. „Neben Lagerräumen für unser Logistikunternehmen EuLog hat es hier vor allem den Kunst- und Musikprobenraum erwischt. Gitarren, Mischpult, Schlagzeug und viel Technik wurden zerstört“, so Tanja Scheuls. Auch einen Firmenbus habe es erwischt.

Beim „BügelProfi“ in Euskirchen drang Wasser in den Laden und zerstörte vor allem den Thekenbereich. Das komplette Geschäft musste aufwendig gereinigt und desinfiziert werden. Mittlerweile hat die Wäschereinigung jedoch wieder geöffnet.

„Man muss aus der Katastrophe lernen und bereit sein für einen Neuanfang“, sagt Georg Richerzhagen, der eigentlich gar nicht viel über die Zerstörung bei den NEW erzählen möchte, weil andere, darunter einige seiner Mitarbeiter und Beschäftigten, viel Schlimmeres bei sich zu Hause erlebt hätten. Konkret wolle man jetzt beispielsweise Gitterboxen anschaffen und darin Notfallsets mit Notstromaggregaten, Wasserpumpen und Trocknungsgeräte für den Ernstfall einlagern. Und Tanja Scheuls fügt hinzu: „Und wir werden auf jeden Fall eine Kontaktliste von Mitarbeitern und Beschäftigten strom- und computerunabhängig aufbewahren, um darauf jeder Zeit zugreifen zu können.“

Eifeler Presse Agentur/epa

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