Fahrt gegen das Vergessen

Mit einer spektakulären Aktion erinnert das LVR-Freilichtmuseum Kommern an eine „Liebesgabenfahrt“ zur Westfront des Ersten Weltkriegs vor einhundert Jahren – Kultur- und Sportstiftung der Kreissparkasse Euskirchen unterstützt die Friedenfahrt im Rahmen der Ausstellung „Kriegs(er)leben im Rheinland“

Overland Modell 69 Touring von 1913, Auto der Liebesgabenfahrt im Hof der Gastwirtschaft Bierstall des Gastwirtes Hubert Meyer 1914. (Stadtarchiv Euskirchen)
Overland Modell 69 Touring von 1913, Auto der Liebesgabenfahrt im Hof der Gastwirtschaft Bierstall des Gastwirtes Hubert Meyer 1914.
Bild: Stadtarchiv Euskirchen

Kreis Euskirchen – Dahlem – Luxembourg – Vouziers (F) – Sommepy-Tahure (F): Am 1. Oktober 1914 starteten Honoratioren aus Euskirchen, darunter der spätere Vizepräsident des Reichtags Thomas Eßer, mit drei Fahrzeugen Richtung Frankreich. Ziel war die Front an der Aisne in der Champagne. Dort wollten die Honoratioren Soldaten eines deutschen Infanterie-Regiments mit so genannten „Liebesgaben“ aus der Heimat versorgen.

Auf den Tag genau 100 Jahre später startet wieder ein Konvoi aus drei Fahrzeugen von Euskirchen Richtung Aisne. Wieder sind darunter dieselben Wagentypen, mit denen damals die „Liebesgabenfahrt“ unternommen wurde: zwei „Overland-Touring“ aus der Zeit vor 1914 – heute weltweit absolute Raritäten. Und noch einmal wird exakt die Route gewählt, auf der vor einem Jahrhundert die Päckchen mit Lebensnotwendigem und Heimatgrüßen an die Front kamen: Es geht über Prüm, Luxemburg und Vouziers zum Zielort Sommepy-Tahure.

Thomas Esser war Teilnehmer der Liebesgabenfahrt aus Euskirchen. Bild:  Stadtarchiv Euskirchen
Thomas Esser war Teilnehmer der Liebesgabenfahrt
aus Euskirchen. Bild: Stadtarchiv Euskirchen

Die Zielsetzung ist diesmal jedoch eine andere: „Es soll eine Fahrt gegen das Vergessen des Ersten Weltkriegs werden. Und zugleich eine Fahrt der freundlichen Begegnung mit den Menschen, über deren Orte einst die Katastrophe hereinbrach und die selbst Angehörige im ‚Großen Krieg‘ verloren hatten“, so Dr. Josef Mangold, Leiter des LVR-Freilichtmuseums Kommern. Das große Freilichtmuseum im Rheinland hat diese „Fahrt gegen das Vergessen“ im Zusammenhang mit seiner laufenden Sonderausstellung „Kriegs(er)leben im Rheinland“ initiiert, die die anfängliche Kriegsbegeisterung vor allem im Bürgertum ebenso thematisiert wie die schon nach wenigen Kriegswochen eingetretene Ernüchterung und Verzweiflung.

Der Konvoi wird – wie damals – vier Tage unterwegs sein und an den damaligen Zwischenzielen Dahlem, Luxemburg-Stadt und Vouziers Station machen, bevor er in Sommepy-Tahure durch den Bürgermeister empfangen wird. Das Team hofft, auf seinen Stationen in den Begegnungen mit der Bevölkerung einen Beitrag zur beiderseitigen Freundschaft leisten zu können.
Der Konvoi wird am Mittwoch, 1. Oktober, 10 Uhr, auf dem Alter Markt in Euskirchen Aufstellung nehmen. Die Öffentlichkeit kann sich dort dann über die Hintergründe und Zielsetzung der Fahrt informieren.

Overland Automobile Company, Indianapolis, USA, 4 Zylinder, 30 PS, 3900 ccm.1979 in einer Scheune in Kalifornien als weltweit letzter unrestaurierter Overland von 1909 gefunden. Bild: Christian Peitz-Austermann/LVR
Overland Automobile Company, Indianapolis, USA, 4 Zylinder, 30 PS, 3900 ccm.1979 in einer Scheune in Kalifornien als weltweit letzter unrestaurierter Overland von 1909 gefunden. Bild: Christian Peitz-Austermann/LVR

Die Fahrt wird von der Kultur- und Sportstiftung der Kreissparkasse Euskirchen unterstützt. KSK-Vorstands- und Kuratoriumsmitglied Hartmut Cremer: „Die Fahrt, aber vor allem auch die Ausstellung »Kriegs(er)leben im Rheinland» wollen daran erinnern, wie eng Kriegsbegeisterung und völlige Verzweiflung beieinanderliegen. Mit unserer Unterstützung wollen wir nicht zuletzt aufgrund der derzeit wieder einmal angespannten Lage in Europa das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass Krieg niemals wieder als Problemlösung aufgeklärter Staaten in Frage kommen darf.“ Rita Witt, KSK-Pressesprecherin und Vorstandsvorsitzende der Kultur-Stiftung, fügt hinzu: „Dies ist nur möglich, wenn die Menschen in Europa sich als Partner und Freunde verstehen, wozu vor allem die Fahrt nach Sommepy-Tahure beitragen soll.“ Auch die VR-Bank Nordeifel und RWE/Westnetz haben die Friedenfahrt finanziell unterstützt.

Gegen 10.45 Uhr werden Günter Rosenke, Landrat des Kreises Euskirchen, und Dr. Uwe Friedl, Bürgermeister der Stadt Euskirchen sowie Hartmut Cremer, Rita Witt und weitere Sponsorenvertreter zur Verabschiedung des Konvois erwartet. Der Start der „Fahrt gegen das Vergessen“ ist für 11.30 Uhr vorgesehen. (epa)

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