Mitarbeiter der Bank of Weifang aus der Provinz Shandong sowie der Zhejiang Mintai Commercial Bank aus Zhejiang ließen sich im S-Forum erklären, wie erfolgreiche Kundenbetreuung im ländlich strukturierten Raum aussieht – Vorstandsvorsitzender Udo Becker sorgte mit seinem Vortrag bei den Gästen für manche Überraschung
Euskirchen – Einen solchen Besuch erlebt auch die Kreissparkasse Euskirchen nicht alle Tage: 20 chinesische Banker plus Dolmetscherin kamen am Donnerstagmorgen ins S-Forum an der Von-Siemens-Straße, um sich vom Vorstandsvorsitzenden Udo Becker, seinem Vorstandskollegen Hartmut Cremer sowie Firmen- und Gewerbekundenbetreuer Holger Glück und Vertriebsleiter Volker Zart erklären zu lassen, wie man Kundenbetreuung im ländlichen Raum erfolgreich organisiert. Die Damen und Herren gehörten zur Bank of Weifang in der Provinz Shandong, einer wirtschaftlich sehr starken Region im Osten Chinas mit der größten Industrieproduktion des Landes. In ihrer regionalen Geschäftsbank mit 64 lokalen und zwei regionalen Geschäftsstellen wird derzeit eine eigenständige Organisationseinheit aufgebaut, um das Kreditgeschäft für kleinste, kleine und mittlere Unternehmen zu optimieren.
Gegründet wurde die Bank 1998. Derzeit weist sie eine Bilanzsumme von 7,6 Milliarden Euro aus. Weiterhin waren auch einige Mitglieder der Zhejiang Mintai Commercial Bank aus Zhejiang angereist, die zurzeit eine ähnliche Organisationseinheit für Mikrokredite aufbaut.
Zustande gekommen war der Kontakt zu den Chinesen über die Sparkassenstiftung für internationale Kooperation. Diese unterhält bereits seit 2009 enge Kontakte zu den chinesischen Banken und berät bei der Einführung des Kleinkreditgeschäfts. So wurden auch schon Bankmitarbeiter vor Ort in Shandong von der Sparkassenstiftung geschult. Seit 2010 brechen die Chinesen darüber hinaus immer wieder zu Studienreisen nach Deutschland auf.
Als Udo Becker sich als Vorstandsvorsitzender vorstellte, wollten die Chinesen ihm dies zuerst nicht so recht glauben. Der Grund war schnell ausgemacht: In China sind die Vorstandsvorsitzenden einer Bank unsichtbar und tauchen in der Öffentlichkeit nicht auf, und schon gar nicht bei ihren eigenen Mitarbeitern. Als Becker erzählte, dass er einen engen Kontakt zu seinen Mitarbeitern pflege, persönlich Geschäftsstellen besuche und regelmäßig zu Gesprächen bereitstehe, sorgte dies für Heiterkeit bei den Besuchern. Doch Becker erklärte auch, warum er den Kontakt zu seinen Mitarbeitern sucht: „Menschen, die hier arbeiten, sind für mich die besten Unternehmensberater, die ich mir vorstellen kann, da benötige ich keinen Dritten.“ Überhaupt gehöre die Wertschätzung des Mitarbeiters zur Philosophie der Sparkasse. „Der Vorstand arbeitet hier noch mit“, so Becker lachend. Im Gegensatz zur KSK Euskirchen mit ihren 420 Mitarbeitern sind Banken in China allerdings auch extrem groß. Mehrere tausend Mitarbeiter sind dort die Regel, so dass der Vorstandsvorsitzende rasch den Überblick über seine Mitarbeiter verlieren dürfte.
Becker stellte den chinesischen Gästen den Kreis Euskirchen und seine Besonderheiten vor, machte sie auch mit einigen interessanten Bewohnern wie Wildkatze und Biber bekannt, erklärte die Probleme, die der Wirtschaft durch den demografischen Wandel entstehen, und welche Bedeutung dem erstarkenden Tourismus in der Region nicht zuletzt auch für das Kreditgeschäft der Sparkasse zukomme. Eindruck machte den Besuchern, dass die Betreuung der Kunden zwar zentral vonstattengehe, dass man aber für die Beratung Beratungscenter vor Ort habe.
Immer wieder brach die Dolmetscherin bei Beckers Wortspielen in Gelächter aus. Dass Volker Zart „sehr behutsam“ mit seinen Mitarbeitern umgehe und sein Firmenkundenleiter das „Glück“ ins Kreditgeschäft bringe war bestimmt nur schwer ins Chinesische zu übersetzen. Offensichtlich gelang es der Dolmetscherin aber recht gut, denn die Besucher lachten nicht nur herzlich, viele von ihnen wollten sich in der Pause auch unbedingt mit Holger Glück vor dem großen Sparkassen-Logo ablichten lassen.
Besonders interessierte die Gäste das Risikomanagement der Sparkasse. So erfuhren sie, dass es in Deutschland verpflichtend sei, zwei Vorstände mit zwei unterschiedlichen Bereichen zu haben. „Da ich für den Marktbereich zuständig bin, darf ich mich folglich nicht selbst kontrollieren und überwachen“, so Becker. Die Risikoüberwachung liege daher bei Vorstandsmitglied Hartmut Cremer.
Auch interessierte sie brennend, wie man in Deutschland im Wettbewerb mit anderen Banken bestehen könne. „Sie schaffen es nicht über den Zins, sondern nur über die Qualität“, erklärte Becker, was sogleich eifrig notiert wurde.
Besonders überraschte Gesichter gab es, als Volker Zart das Azubi-BC vorstellte und berichtete, dass Auszubildende des zweiten und dritten Lehrjahrs einen Monat lang ganz allein eine Sparkassenfiliale leiten dürfen und man ihnen dafür das entsprechende Vertrauen entgegenbringe. Überhaupt war das Thema Ausbildung für die Chinesen enorm wichtig. Dass der KSK-Vorstandsvorsitzende persönlich in Schulen Vorträge hält, um für seine Sparkasse als Ausbildungsbetrieb zu werben, war für die Chinesen offensichtlich undenkbar. In China studiert man an der Universität Bankwesen und bekommt dann einfach einen Job bei einer Bank angeboten.
Holger Glück informierte abschließend über das Finanzkonzept der Sparkasse, also darüber, wie man Qualität in der Beratung sicherstellt. Auch hier hörten die Besucher aufmerksam zu. Für die Euskirchener wiederum war es vor allem interessant zu hören, dass auf das Festgehalt eines Mitarbeiters in China noch einmal 100 Prozent an Belohnung obendrauf kommen können, wenn man entsprechend viele Produkte an den Kunden gebracht hat. „Dieses Belohnsystem lehnen wir in Deutschland ganz bewusst ab“, so Becker. Stattdessen setze man auf eine strukturierte und nachvollziehbare Beratung.
Hoch her ging es dann in der Pause am Kicker. Deutsche und chinesische Banker lieferten sich ein emotionales Match, was die Dolmetscherin zu der treffenden Bemerkung veranlasste, dass Männer im Grunde genommen doch überall auf der Welt gleich sind.
Weitere Bilder zum Besuch der chinesischen Delegation sehen Sie auf dem Blog der KSK Euskirchen.
Eifeler Presse Agentur/epa