Mensch und Umwelt: „Wie ein Affe am Schaltpunkt eines Kernkraftwerks“

Wissenschaftsjournalist und aus „terra x“ bekannter Fernsehmoderator Dirk Steffens gab einen eindringlichen, aber auch humorvollen und wertschätzenden Report über den Zustand unserer Erde – Rund 1000 Zuschauer kamen auf Einladung der Kreissparkasse Euskirchen ins City Forum Euskirchen – KSK-Chef Udo Becker mahnte mit Gedicht von Fred Ammon zu mehr Weitblick im Umgang mit Ressourcen

Hielt in Euskirchen ein eindringliches Plädoyer zur Rettung der Erde: Dirk Steffens, Wissenschaftsjournalist und aus „terra x“ bekannter Fernsehmoderator. Bild: Tameer Gunnar Eden/Eifeler Presse Agentur/epa
Hielt in Euskirchen ein eindringliches Plädoyer zur Rettung der Erde: Dirk Steffens, Wissenschaftsjournalist und aus „terra x“ bekannter Fernsehmoderator. Bild: Tameer Gunnar Eden/Eifeler Presse Agentur/epa

Euskirchen – „Es ist möglich, die Welt zu retten. Wir haben das Wissen und die Technik dazu“, betonte Dirk Steffens, Wissenschaftsjournalist und aus „terra x“ bekannter Fernsehmoderator. Der 50-jährige UN-Botschafter für biologische Vielfalt sorgte am vergangenen Donnerstagabend für gespannte Stille unter fast 1000 Besuchern, die auf Einladung der Kreissparkasse Euskirchen (KSK) ins City Forum Euskirchen gekommen waren, um eine besondere Art von Nachrichten zu hören: Den „Living Planet Report“. Dieser Bericht über den Zustand der Erde war alarmierend, durch die gekonnte und durchaus auch humorvolle Vortragsweise Steffens aber nicht niederschmetternd, sondern aufrüttelnd.

Passend zum Thema hatte Udo Becker, Vorstandsvorsitzender der KSK und versierter Moderator, die Zuschauer mit dem Anfang des Gedichts „Unsere Welt“ von Fred Ammon begrüßt: „Der Mensch schaut hin und sieht es nicht, die Welt hat Tränen im Gesicht. Wir glaubten an den Sachverstand und nahmen alles in die Hand. Wir wollten Vieles richten und auf nichts verzichten. Wir gingen an die Welt heran und machten sie uns untertan. Wir dachten, das sei unsere Pflicht, jetzt hat sie Tränen im Gesicht.“ Spontaner Applaus brandete im Publikum auf, das die folgenden zwei Stunden auffallend aufmerksam war.

Wissenschaftsjournalist Dirk Steffens (v.l.) sagte im Gespräch mit Udo Becker, Vorstandsvorsitzender der KSK, dass die Begegnungen mit wildlebenden Tieren so eindrucksvoll seien, dass diese manche Frustration über Umweltkatastrophen vergessen lassen. Bild: Tameer Gunnar Eden/Eifeler Presse Agentur/epa
Wissenschaftsjournalist Dirk Steffens (v.l.) sagte im Gespräch mit Udo Becker, Vorstandsvorsitzender der KSK, dass die Begegnungen mit wildlebenden Tieren so eindrucksvoll seien, dass diese manche Frustration über Umweltkatastrophen vergessen lassen. Bild: Tameer Gunnar Eden/Eifeler Presse Agentur/epa

Udo Becker schonte auch den US-amerikanischen Präsidenten nicht, der den Klimawandel nicht nur leugne, sondern gar als Verschwörung der Chinesen hinstelle und zitierte dazu Heinz Erhard: „Man soll nicht alles glauben, was man denkt.“ Er mahnte auch zu einem schonenden Umgang mit der Erde: „Unendliches Wachstum auf einem endlichen und mit begrenzten Ressourcen versehenen Planeten geht nicht.“ Der Vortrag von Steffens sei beides: Liebeserklärung und Krankenakte der Erde.

Trotz des ernsten Themas und eindringlicher Appelle Steffens, im Interesse aller etwas gegen Klimawandel und Artensterben zu tun, versank der Abend nicht in Düsternis. Dirk Steffens hatte aus seinen zahlreichen Reisen in über 120 Länder der Welt beeindruckende und oft anrührende Bilder mitgebracht, die die Schönheit unserer Erde und die Beziehung zu Tieren auf gleich drei Großleinwänden nahezu greifbar machten. Dazwischen sorgte er mit Anekdoten für reichlich Gelächter, etwa als er von seiner Begegnung mit einem Wolfsrudel berichtete.

Im „Living Planet Report“ gab Dirk Steffens gleichzeitig eine Liebeserklärung an die Erde ab wie er einen ernsten Krankenbericht skizzierte. Bild: Tameer Gunnar Eden/Eifeler Presse Agentur/epa
Im „Living Planet Report“ gab Dirk Steffens gleichzeitig eine Liebeserklärung an die Erde ab wie er einen ernsten Krankenbericht skizzierte. Bild: Tameer Gunnar Eden/Eifeler Presse Agentur/epa

Steffens: „Der Feldforscher, der das Rudel an Menschen gewöhnt hatte, sagte uns, dass wir uns hinknien sollten, damit uns die Wölfe als Begrüßungsritual über das Gesicht lecken konnten.“ Verzog sich schon bei dieser Vorstellung das Gesicht des ein oder anderen Zuschauers, legte der Reisejournalist und Naturfilmer noch eins drauf: „Was der Forscher verschwiegen hatte: Es war ein Zungenküsser dabei.“ Als Steffens den Wissenschaftler darauf aufmerksam machte, sagte der nur: „Ja, du musst den Mund aufmachen, sonst beißt er dich gleich!“ Steffens abschließender Kommentar: „Wölfe haben eine sehr lange Zunge!“

Auch habe er bei seinen Fahrten gelernt, dass man im Notfall nicht schneller laufen könne müsse als ein Löwe – man brauche nur immer einen in der Gruppe, der langsamer als man selbst sei. Zu langsam sei aber auch die Natur in Sachen Regeneration für das Tempo, in dem die Menschheit den Planeten ausbeute. Er verglich das mit einem Sparbuch, das die Menschen geschenkt bekommen haben: „Wir verbrauchen gerade Ressourcen, für die eigentlich 1,5 Erden notwendig wären.“ Quasi würden wir das Sparbuch leer räumen, wüssten aber nicht, was wir machen, wenn alles Kapital verbraucht ist.

Rund 1000 Menschen waren auf Einladung der KSK zum Vortrag von Dirk Steffens gekommen. Bild: Tameer Gunnar Eden/Eifeler Presse Agentur/epa
Rund 1000 Menschen waren auf Einladung der KSK zum Vortrag von Dirk Steffens gekommen. Bild: Tameer Gunnar Eden/Eifeler Presse Agentur/epa

Es gebe etwa 12 Milliarden Hektar biologisch aktive Fläche auf der Erde bei aktuell etwa 7,5 Milliarden Menschen. Ein Deutscher würde umgerechnet 4,5 Hektar Fläche für seinen Ressourcenverbrauch benötigen, ein US-Amerikaner sogar zehn, ein Chinese dagegen nur 1,6 Hektar. Steffens: „Also vorsichtig, auf wen man mit dem Finger zeigt.“

Zwischendurch trat Steffens in Interaktion mit dem Publikum, fragte etwa, welche Auswirkungen es auf das Leben eines einzelnen habe, wenn morgen die Eisbären ausgestorben wären. „Keine, auch nicht für mein Leben“, so der Wissenschaftsjournalist – zumindest vermeintlich. Das Aussterben einzelner Arten habe es immer gegeben, sei sogar ein Motor der Evolution. Gefährlich sei aber das Tempo, in dem ein Massensterben eingesetzt habe, schlimmer und schneller als beim großen Meteoriteneinschlag, der die Ära der Dinosaurier beendete.

„In diesem Saal sind mehr Menschen versammelt, als es noch Berggorillas gibt. Auf den Galapagos Inseln habe ich eine Finkenart gesehen, von denen es nur noch acht Exemplare auf der ganzen Welt gibt“, berichtete der UN-Botschafter. In Deutschland seien seit 1989 75 Prozent an Fluginsekten verschwunden, seit 1950 65 Prozent der Sing- und Gartenvögel. Seit 1970 sei weltweit 56 Prozent aller Wirbeltiere verloren gegangen. An mehrere Schüler gerichtet sagte Steffens: „An eurer Stelle wäre ich langsam richtig sauer auf die Älteren, denn ihr müsst die Rechnung bezahlen.“ Die Folgen des Massensterbens, auch in wirtschaftlicher Hinsicht, sei unabsehbar.

Trotz aller alarmierender Entwicklungen bezüglich Klimawandel und Artensterben hätten wir sowohl Wissen wie Technik, die erde zu retten – wenn gehandelt würde, betonte Dirk Steffens. Bild: Tameer Gunnar Eden/Eifeler Presse Agentur/epa
Trotz aller alarmierender Entwicklungen bezüglich Klimawandel und Artensterben hätten wir sowohl Wissen wie Technik, die erde zu retten – wenn gehandelt würde, betonte Dirk Steffens. Bild: Tameer Gunnar Eden/Eifeler Presse Agentur/epa

Im Abschlussgespräch fragte KSK-Chef Becker, ob Steffens nicht manchmal ein großer Frust packe bei all den schrecklichen Entwicklungen, die er erlebe. Dirk Steffens: „Eine einzige Begegnung mit einem wildlebenden Tier wiegt das wieder auf.“ Es sei auch nicht zu spät, die Erde zu retten, aber es sei Zeit, sich einzusetzen – nicht morgen, sondern heute. Jeder könne dazu beitragen, allein durch sein Konsumverhalten: „Für Palmöl beispielsweise wird Regenwald gerodet, dadurch wird etwa der Lebensraum von Orang-Utans zerstört. Als Konsument kann ich darauf achten, Produkte mit Palmöl zu meiden.“ Das sei allerdings gar nicht mehr so einfach, denn das Palmöl werde sehr vielen Produkten beigemengt – sogar absurderweise sogenanntem „Bio-Diesel“.

Ein dringendes Handeln in Sachen Umweltschutz sei erforderlich, so Steffens: „Leider benehmen wir uns im Moment eher wie ein Affe in der Schaltzentrale eines Kernkraftwerks – technisch in der Lage, die Knöpfe zu drücken, aber unfähig abzuschätzen, welche Folgen das hat.“ Es gebe positive Beispiele, wie wirkungsvoll konsequent umgesetzte Schutzmaßnahmen seien könnten: „Durch das Walfangverbot – die wenigen bekannten Ausnahmen mal ausgenommen – hat sich etwa der Blauwalbestand von 400 auf 2000 vergrößert.“

Zum Abschied hatte Becker noch ein besonderes Geschenk für den Wissenschaftsjournalisten, der 180 Tage im Jahr oft fernab von jedem Stromabschluss unterwegs ist: Eine Akku-betriebene Kaffeemaschine. Dirk Steffens war begeistert: „Am Montag geht es für drei Wochen nach Borneo. Die nehme ich mit und poste ein Foto davon auf Instagram!“

Eifeler Presse Agentur/epa

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