Kreissparkasse Euskirchen und Bundesverband mittelständische Wirtschaft luden zum ersten Kompetenzforum Mittelstand ein – Notfallplan, mögliche Förderprogramme und die Tücken des deutschen Erbrechts
Euskirchen – Im stressigen Alltagsleben eines Unternehmers ist für das Thema „Unternehmensnachfolge“ oft keine Zeit. Jahr um Jahr drückt man sich gern davor, diese wichtige Angelegenheit entschieden anzugehen. Allein im Bundesland Nordrhein-Westfalen müssen sich bis 2022 ca. 32.300 Familienunternehmen um eine Nachfolge kümmern. Gut die Hälfte der Übernahmen wird familienintern erfolgen. Bei den restlichen 50 Prozent wird die Übernahme voraussichtlich zu 18 Prozent durch Mitarbeiter stattfinden. Und in 29 Prozent der Fälle wird es zu einem Verkauf des Unternehmens an Dritte kommen.
Um Unternehmer im Kreis Euskirchen für dieses wichtige Thema zu sensibilisieren, sie zu informieren und bei der Unternehmensnachfolge adäquat zu begleiten, hat die Kreissparkasse Euskirchen (KSK) gemeinsam mit dem Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) das „Kompetenzforum Mittelstand“ ins Leben gerufen. Der BVMW, so berichtete der Verbandsbeauftragte Dr. Alois Kreins, der unter anderem für die Wirtschaftsregion Euskirchen zuständig ist, sei die größte, freiwillig organisierte und branchenübergreifende Interessenvereinigung des deutschen Mittelstandes, der die Interessen von 25 Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbänden mit mehr als 550 000 Mitgliedern vertrete, die allein über elf Millionen Mitarbeiter beschäftigten.
Jetzt fand im S-Forum der KSK eine erste Veranstaltung dieses neuen Formates statt. Gut 50 interessierte Teilnehmer ließen sich in mehreren Fachvorträgen von der Wichtigkeit einer geregelten Unternehmensnachfolge überzeugen.
KSK-Vorstandsmitglied Holger Glück betonte, dass das Kompetenzforum keine Eintagsfliege sei, sondern regelmäßig stattfinden solle, ähnlich dem erfolgreichen Unternehmerfrühstück „viertelvoracht“, das die KSK bereits vor Jahren gemeinsam mit der Kreiswirtschaftsförderung ins Leben gerufen habe. Anhand der Geschichte des Uhrenfabrikanten Moritz Grossmann aus Glashütte in Sachsen zeigte Glück sodann, wie ein florierendes Unternehmen, von dem einst eine ganze Region profitierte, aufgrund eines nicht vorhandenen Nachfolgeplans nach dem plötzlich Tod des Unternehmensleiters 1885 abgewickelt und aufgelöst wurde.
„Ich glaube, dass sich auch hier im Kreis Euskirchen noch nicht jeder Unternehmer ausreichend mit dem Thema Nachfolge oder Notfallplan befasst hat“, so Glück. „Damit Ihr Lebenswerk erhalten bleibt, wollen wir Sie bei diesem komplexen Thema unterstützen.“ Unternehmensnachfolgen scheiterten oft, weil man die Komplexität des Themas unterschätzt habe. Glück empfahl, sich für eine Nachfolge mindestens fünf Jahre Zeit zu nehmen. Auch der Nachfolger, der viel Geld und Zeit in eine Übernahme investiere, müsse sich viele Fragen stellen, damit es kein böses Erwachen gebe.
„Um Ihr Unternehmen zu sichern, ist es nötig, eine detaillierte Notfallplanung zu erstellen. Stichworte sind hier die Stellvertretung zu regeln, Kontovollmachten einzuräumen, aber auch solche Dinge wie Passwörter, Codes, wichtige Verträge und Versicherungsunterlagen für die Vertreter bereitzustellen“, so Glück. Die KSK unterstützt dies durch einen Notfallordner und ein „Alles geregelt-Buch“.
Diese Unterlagen machen jedoch einen detaillierten Beratungsprozess nicht überflüssig. „Eine solch komplexe Nachfolgeberatung kann natürlich nur in enger Abstimmung mit Ihrem rechtlichen und steuerlichen Berater erfolgen und bei Bedarf mit Spezialisten aus unserem Verbund oder Netzwerk“, so Glück.
Da ist zum Beispiel die DekaBank. Thorsten Kramer, der dort seit 2015 das Finanzmanagement leitet, erklärte den Zuhörern in seinem Referat, was bei einer Unternehmensnachfolge in der Privatbilanz geschehen kann. Dazu hatte er einen anonymisierten Praxisfall mitgebracht: Ein klassisches Ehegattentestament mit Gemeinschaftskonto und Gütertrennung sowie zwei Kindern, die als Nachfolger vorgesehen waren, diente als Ausgangszenario. Doch wurde die Rechnung ohne das dritte Kind, einem Philosophiestudenten gemacht. Der klagte auf seinen Pflichtteil, bekam Recht und mehr Geld zugestanden als überhaupt flüssig war, so dass Teile des Unternehmens verkauft werden mussten. Und so nahm das Verhängnis dann seinen Lauf, oder wie Thorsten Kramer es ausdrückte: „Vermögensverzehr durch zunehmende Liquiditätsunterdeckung“, ein Zustand, der im weiteren Verlauf des Unternehmens zum Verkauf von einigen Immobilien führte und irgendwann im Alter sogar das eigene Häuschen der Unternehmensnachfolger in Gefahr bringen könnte.
„Unternehmer“, so die Quintessenz des Vortrags, „brauchen nicht irgendein Testament, sondern ein passendes und maßgeschneidertes Testament.“ Kramer empfahl daher, das persönliche Kompetenz- und Expertenteam zu konsultieren, bestehend aus KSK, Steuerberater und einem Fachanwalt für Erbrecht. „Und fangen Sie rechtzeitig damit an, das ist das A und O.“
Über die Finanzierungs- und Förderungsmöglichkeiten referierte Claudia Brendt, Direktorin der NRW.Bank, die seit 2006 unter anderem auch für die Betreuung der KSK zuständig ist. „Beachten Sie, dass selbst wenn Sie einen passenden Nachfolger gefunden haben, die Prüfung der Übernahmefinanzierung noch einmal ein halbes Jahr dauern kann“, so Brendt. In Sachen Unternehmensnachfolge seien im Prinzip nur drei Förderprogramme von Interesse. Der Gründungskredit der NRW.Bank, das Angebot der Bürgschaftsbank NRW, die Sicherheitensituation zu stärken, und das „ERP-Kapital für Gründung“. „Es macht Sinn, diese Förderungen miteinander zu kombinieren, was die Besicherungsklasse verbessern helfen kann“, so Brendt. Mit anderen Worten: Wer beispielsweise den Gründungskredit der NRW.Bank mit dem Angebot der Bürgschaftsbank kombiniert, zahlt unterm Strich weniger Kreditzinsen.
Wer von den Teilnehmern des Forums bis zu diesem Zeitpunkt noch immer nicht von der Notwendigkeit überzeugt war, sich rechtzeitig und mit kompetenter Hilfe um die Unternehmensnachfolge zu kümmern, den machte Rechtsanwalt Frank Dickmann von der dhpg mit Sitz in Euskirchen noch einmal nachdenklich, indem er einen Parforceritt durch das deutsche Erbrecht unternahm. Anschaulich und auch humorvoll stellte er dar, zu welchen Katastrophen ungeregelte Erbfälle regelmäßig führten, wenn kein Testament, sondern einfach nur das deutsche Erbgesetz greift. Eine Erbengemeinschaft sei für ein Einzelunternehmen beispielsweise die denkbar schlechteste Alternative, da sich alle Erben immer einig sein müssten, um eine Entscheidung zu treffen, und jeder jederzeit die Auflösung des Unternehmens beantragen könne.
„Vielen Unternehmern ist auch nicht klar, dass Gesellschaftsrecht Erbrecht bricht. Wenn im Gesellschaftervertrag also festgelegt ist, dass keine Ehegatten in die Gesellschafterstellung kommen dürfen, dann kommen die da auch nicht rein“, so Dickmann. Auch sei noch nicht jedem bekannt, dass ein Testament, soll es wirksam sein, von vorn bis hinten handschriftlich geschrieben sein müsse. „Unterschriebene Computerausdrucke, WhatsApp-Testamente oder der Letzte Wille per Video sind ungültig“, so Dickmann.
Eifeler Presse Agentur/epa