Wilfried Fiege geht in den wohlverdienten Ruhestand – Als Verwaltungsleiter und später in der Geschäftsführung hat er das stetige Wachstum des großen Dienstleisters für Menschen mit Behinderung begleitet
Euskirchen – „»Live is live« von Opus war 1985 die Nummer 1 in Deutschland und hielt sich 27 Wochen in den Charts – Du bist im gleichen Jahr bei den NE.W gestartet und hast Dich über 38 Jahre als »HIT« bei den NE.W gehalten!“ Mit diesen Worten bedachte Rita Witt, Vorsitzende des Verwaltungsrates der Nordeifel.Werkstätten (NE.W), Wilfried Fiege. Zuerst als Verwaltungsleiter und später in der Geschäftsführung des größten Dienstleisters für Menschen mit Behinderung im Kreis Euskirchen tätig, ist es immer wieder die Herzlichkeit, die Weggefährten an ihm besonders schätzen. Nun haben Gesellschafter, Verwaltungsrat, Leitungsebene und Geschäftsführung der NE.W den 1955 Geborenen in den wohlverdienten Ruhestand verabschiedet.
Als Wilfried Fiege am 1. Oktober 1985 anfing, gab es die NE.W nur als kleine Werkstatt für Menschen mit Behinderung in Ülpenich mit 150 Werkstattplätzen. Fiege: „Die Entwicklung zu begleiten, hat sehr viel Spaß gemacht. Wir haben ja quasi ständig irgendwo gebaut und erweitert – und das damals noch alles ohne Handy oder EDV!“. Im Laufe der Zeit entwickelte sich das Ganze dann zu einer facettenreichen, überregional bekannten Unternehmensgruppe mit einem breiten Dienstleistungs- und Arbeitsangebot für Personen mit Handicap, in der heute insgesamt rund 1500 Menschen mit und ohne Einschränkungen arbeiten. So wurde bereits 1986 in Zingsheim ein weiterer Werkstattstandort eröffnet. Im Schreinereibereich werden dort etwa Saunakabinen als Eigenprodukt der Nordeifel.Werkstätten hergestellt, die zunächst an Baumärkte und später über Fachhändler vertrieben wurden und mittlerweile unter der Marke „Holzmanufaktur“ auch direkt verkauft werden.
1997 wurde im ehemaligen belgischen Kasino in Euskirchen eine Werkstatt für Menschen mit psychischen Erkrankungen und Behinderungen eröffnet. Der Zuspruch war so enorm, dass eine Erweiterung notwendig wurde, die man in Euskirchen-Kuchenheim umsetzte: Nach 18-monatiger Bauzeit konnte der neue Standort mit 85 Plätzen fertiggestellt und eingeweiht werden. Die Werkstatt wurde durch den Neubau weiterer Hallen und die Anmietung von Nachbargebäuden bis heute auf 300 Plätze erweitert.
1995 eröffneten im Kaller Gewerbegebiet eine weitere Zweigwerkstatt, die durch Anbauten in 2000 und den Bau einer Werkhalle in 2014/2015 stetig erweitert wurde. 2009 wurde das Integrationsunternehmen „EuLog Service gemeinnützige GmbH“ in Kuchenheim gegründet. Als weitere Tätigkeitsfelder wurden in 2013 handwerkwerkliche Dienstleistungen und in 2014 ein CAP-Lebensmittelmarkt in Kuchenheim aufgebaut. 2012 startete der Fachdienst „NEW-JOB“, der Außenarbeitsplätze der NE.W in Fremdunternehmen begleitet und betreut.
2014 öffnete der Nahversorgungsmarktes „NimmEssMit“ im Zentrum von Bad Münstereifel seine Pforten, 2017 kam der „Bügelprofi“ in Euskirchen dazu. Der neue Heilpädagogische Arbeitsbereich in Zingsheim eröffnete 2018. In den 2020er Jahren wurden Kantinen wie in der Kreissparkasse Euskirchen eröffnet, der durch die Flut zerstörte Markt in Bad Münstereifel konnte 2023 als „Cafésito“ ebenso die Türen öffnen wie das Euskirchener „Cafésito“. Kommendes Jahr soll in Zingsheim ein inklusiver Fahrradladen für Kauf und Reparatur von Zweirädern mit und ohne E-Antrieb die Türen öffnen.
Seit Oktober 2018 begleitete Wilfried Fiege diese Schritte in der Geschäftsführung. Die Verbindung zu den NE.W hatte er damals über seine Arbeit im Landesverband der Lebenshilfe gefunden. Der Kaufmann bearbeitete derzeit auch die Anträge der Aktion Mensch. Da er nur wenige Kilometer von Ülpenich entfernt wohnte, war der Wechsel zu den NE.W im mehrfachen Wortsinn naheliegend. Das, was sich durch gute Förderung in der Biografie eines Menschen mit Handicap entwickeln kann, fasziniert ihn bis heute, auch wenn sich die Zeiten glücklicherweise sehr verändert hätten, so Fiege: „In der Anfangszeit etwa kam ein Mann zu uns, der im Stall gehalten und weder sprechen noch laufen konnte.“ Der damalige Sportlehrer hatte sich intensiv gekümmert, so dass der Mann sich nach einiger Zeit selbständig bewegen konnte. Das für Wilfried Fiege bedrückendste Ereignis war der Großbrand am Standort Ülpenich im Juni 2011: „Ich war einer der ersten vor Ort und bin sogar noch mit der Feuerwehr durch das qualmende Gebäude gelaufen. Kaum waren wir wieder draußen, gab es eine Stichflamme.“
Fiege musste später den Einsturz des Gebäudes mit ansehen. Doch auch hier griff wieder der Innovationswille der NE.W, der Standort wurde größer und mit mehr Möglichkeiten für Menschen mit Behinderung wieder aufgebaut. In seinem Ruhestand möchte Wilfried Fiege sich ausgiebig Garten und Haus widmen und mehr reisen. „Und wenn mir langweilig wird, suche ich mir ein Ehrenamt, etwa bei der Übermittagsbetreuung in Schulen.“